240 Reichsverfassung.
Wenn Bundesmitglieder ihre verfassungsmäßigen Bundespflichten nicht
erfüllen, so kann gegen sie vom Bundesrate Exekution beschlossen
werden, die vom Kaiser zu vollstrecken ist (Art. 19).
Der Kaiser kann, wenn die öffentliche Sicherheit im Bundesgebiet
bedroht ist, einen jeden Teil desselben in Kriegszustand erklären.
Für die Form der Verkündigung und die Wirkungen einer solchen Er-
* z!*• das Preuß. Gesetz über den Belagerungszustand 4. 6. 51
rt. 68).
Der Reichstag geht aus allgemeinen und direkten Wahlen
mit geheimer Abstimmung hervor (Art. 20; WahlG. 31. 5. 69,
abgeänd. durch § 23 Abs. 1 RNVereinsges. 19. 4. 08) nebst WahlRgl.
28. 5. 70, Bundes Gl. 145 u. 275; s. auch ME. 20. 11. 97, MBl.
98, 2, und Bek. 14. 4. 98 u. 8. 9. 98 (RZBl. 220, 393); das WahlRgl.
ist ergänzt 28. 4. 03 (Rl. 202). Wahlberechtigt ist nach dem Wahl G.
jeder 25 Jahre alte, in die vorher ausgelegten Wahllisten eingetragene
Deutsche, der die bürgerlichen Ehrenrechte besitzt, nicht unter Vormundschaft
oder Pflegschaft steht, nicht im Konkurs ist und keine öffentliche Armen-
unterstützung (z. Begriff Armenunterstützung: G. 15. 3.09 RGl. 319)
erhält oder im letzten Jahre erhalten hat. Für die aktiven Militärpersonen
ruht die Berechtigung zum Wählen (WahlG. 31. 5. 69 § 2, MilS.
2. 5. 74 § 49, Abs. 1). Wählbar ist jeder Wahlberechtigte, der seit
mindestens einem Jahre Angehöriger eines Bundesstaates oder Schutz-
gebietes ist (auch Militär). Beamte bedürfen zum Eintritt in den Reichstag
keines Urlaubs. Unter Zugrundelegung von durchschnittlich 100 000 Ein-
wohnern ist das Reich in 397 Wahlkreise geteilt, deren jeder einen
Abgeordneten wählt (Wahlg. § 5, Merf. Art. 20, RG. 25. 6. 73).
Die Wahlkreise werden wiederum in Wahlbezirke geteilt. Die Wähler
haben dem Wahlvorstande ihre Stimmzettel, welche vorher unbeobachtet
in einen Umschlag zu stecken sind, zu überreichen. Allen wahlberechtigten
Deutschen ist die Anwesenheit bei der Wahlhandlung gestattet, ohne Rück-
sicht auf den Wahlbezirk, welchem sie angehören (ZV. 18. 7. 92, Ml.
294). Entscheidend ist absolute Stimmenmehrheit (WG. 8§ 12).
Die Legislaturperiode des Reichstages dauert 5 Jahre; zur
Auflösung ist ein Beschluß des Bundesrates unter Zustimmung des
Kaisers nötig (Art. 24 i. d. Fassg. des G. 19. 3. 88). Nach Auflösung
sind binnen 60 Tagen die Wähler und binnen 90 Tagen nach der Auf-
lösung der Reichstag zu versammeln (Art. 25). Der Reichstag darf ohne
seine Zustimmung nicht über 30 Tage und während derselben Session
nicht wiederholt vertagt werden (Art. 26). Er prüft die Legitimation
seiner Mitglieder und entscheidet darüber (Art. 27). Er beschließt mit
absoluter Stimmenmehrheit; zur Beschlußfassung ist die Anwesenheit der
Mehrheit der gesetzlichen Anzahl der Mitglieder erforderlich (Art. 28).
Wegen seiner Abstimmungen und Außerungen in Ausübung des Berufs
darf kein Mitglied verfolgt, auch darf keines ohne Genehmigung des Reichs-
tages während der Sitzungsperiode wegen einer mit Strafe bedrohten
Handlung zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden; auf Verlangen
des Reichstages wird jedes Strafverfahren gegen ein Mitglied sowie jede
Untersuchungs= oder Zivilhaft für die Dauer der Sitzungsperiode auf-