Gerichtswesen (Gerichtsverfassung). 415
bestimmungen für militärische Verbrechen und Vergehen vor; daneben
DiszSt O. 31. 10. 72 (mehrfach geändert), die teilweise auch neben der
MStGO. anwendbar ist. Für die farbigen Angehörigen der Schutztruppe
besteht die Disziplinar Verordg. 7. 9. 10 Kol Bl.789. Wegen der Ehrengerichte
f. Off. s. S. 350.
VII. Gerichtswesen.
Der „Von den Rechten und Pflichten des Staates zum besonderen
Schutze seiner Untertanen“ handelnde Titel XVII ALeK. II ist im
wesentlichen durch die neuere Gesetzgebung überholt. Von den landrecht-
lichen Bestimmungen mögen hervorgehoben werden:
Der Staat ist für die Sicherheit seiner Untertanen, in Ansehung
ihrer Personen, ihrer Ehre, ihrer Rechte und ihres Vermögens, zu sorgen
verpflichtet (§ 1, vgl. § 2 Tit. 13). Dem Staate kommt es also zu,
zur Handhabung der Gerechtigkeit, zur Vorsorge für diejenigen, welche
sich selbst nicht vorstehen können, und zur Verhütung sowohl als Be-
strafung der Verbrechen die nötigen Anstalten zu treffen (§ 2). „Die
Pflicht des Staates, für die Sicherheit seiner Einwohner, ihrer Personen
und ihres Vermögens zu sorgen, ist der Grund der demselben zukommenden
allgemeinen und obersten Gerichtsbarkeit“ (§ 3). Die Gerichtsbarkeit
zerfällt in die bürgerliche (Zivil-) und die Straf-(Kriminal--)
Gerichtsbarkeit. Jene hat die Untersuchung und Entscheidung der Streitig-
keiten über Recht und Eigentum zum Gegenstande. Doch gehört zu ihr
auch das Recht, Handlungen, die nicht streitig sind, gerichtlich zu vollziehen,
zu bestätigen und zu beglaubigen (sog. nichtstreitige Gerichtsbarkeit). Die
Kriminalgerichtsbarkeit umfaßt die Untersuchung und Bestrafung der straf-
baren Handlungen (§S 4—0).
Nach Art. 4 Nr. 13 der RV. und RG. 20. 12. 73 ist das Reich
für die gesamte Gesetzgebung über das bürgerliche, das Strafrecht und
das gerichtliche Verfahren zuständig (s. S. 237); doch sind gewisse
Sondergerichte zugelassen, deren Einrichtung ebenso wie die Justizverwaltung
auch fernerhin der landesgesetzlichen Regelung untersteht. Im übrigen ist
jetzt maßgebend
Gerichtsverfassungs G. 27. 1. 77 in der Fassung v. 17. 5. 1898 (RGBl. 371);
mehrf. abg.: 20. 3. 05, 5. 6. 05, 1. 6. 09, 22.5. 10 (RGBl. 179, 533, 475, 767).
1. Titel. Richteramt. Hiervon handelt der Titel VI der Preuß.
Verf., deren Bestimmungen durch das GVG. und das Preuß. Auss.
dazu 24. 4. 78 im allgemeinen bestätigt sind. „Die richterliche Gewalt
wird im Namen des Königs durch unabhängige, keiner anderen Autorität
als der des Gesetzes unterworfene Gerichte ausgeübt. Die Urteile werden
im Namen des Königs ausgefertigt und vollstreckt“ (Art. 86, GW. § 1).
Über die persönlichen Voraussetzungen zum Richteramt und die persönlichen
Verhältnisse der Justizbeamten s. oben S. 372. Wegen Entlastung v.
schriftl. Arbeiten MV. 9. 11. 10 (JMl. 393).
2. Titel. Gerichtsbarkeit. Die ordentliche streitige Gerichts-
barkeit wird durch Amtsgerichte und Landgerichte, durch Oberlandesgerichte
und durch das Reichsgericht ausgeübt (§ 12). Vor die ordentlichen Ge-
richte gehören alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (s. RGer. 18, 125)