Full text: Handbuch des geltenden Öffentlichen und Bürgerlichen Rechts.

452 Armenwesen (Wanderarbeitsstätten, Armenpflege und Wohltätigkeit). 
Bevölkerung zu befördern und so das Eintreten eines die Armenpflege 
erheischenden Zustandes zu verhindern namentlich auch die Volksgesundheit 
und die Volksbildung zu heben. Die Maßnahmen auf diesem Gebiete sind 
mannigfach. Es gehören hierher die Einrichtung auf dem Gebiete der 
Wohnungsfürsorge, Heimstätten, Erholungsheime, Alterversorgungsanstalten, 
Volksbäder, Lehrlingsheime usw. Vorzugsweise liegen in Preußen diese 
(freiwilligen) Aufgaben in den Händen der Kommunen. Gesetzlich geregelt 
ist auf dem Gebiete der Wohlfahrtspflege die Pflicht der Provinzialver- 
bände, der Bezirksverbände in Hessen-Nassau, der Landeskommunalverbände 
Lauenburg uno Hohenzollern und der Stadt Berlin die Fürsorgeerziehung 
(mit Beihilfe des Staates zu ½) auszuführen (s. oben S. 125 f.). Neben 
den als Vorbeugungsmittel gegen den Eintritt der Armenpflege anzu- 
sehenden Maßregeln der Verschaffung von Arbeit an arbeitswillige und 
arbeitsfähige Personen durch Arbeitsnachweise usw. sind zur besonderen 
Bekämpfung des Wanderbettels und des Landstreichens Arbeiterkolonien ge- 
treten. Vorzugsweise sind auch diese Einrichtungen der privaten Liebestätig- 
keit. Neuerdings sind aber durch das Wanderarbeitsstättengesetz 29.6.07 
GS. 205 auch diese Einrichtungen in den Geschäftskreis der Kommunen 
gerückt. Wanderarbeitsstätten haben die Aufgabe, mittellosen arbeitsfähigen 
Männern, die außerhalb ihres Wohnortes Arbeit suchen, solche zu ver- 
mitteln und vorübergehend gegen Arbeitsleistung Beköstigung und Obdach 
zu gewähren. Zur Einrichtung von Wanderarbeitsstätten können Land- 
und Stadtkreise durch einen mit 2R/8 Mehrheit gefaßten Beschluß des Prov. 
Landtages verpflichtet werden. Ebenso können Kreise verpflichtet werden, 
zu dem Betriebe einer in einem anderen Kreise errichteten, aber ihnen 
zugute kommenden Wanderarbeitsstätte Beiträge zu leisten. Die Höhe 
setzt der Prov Aussch. fest. Rechtsmittel § 6 Wanderarbeitsstättengesetz. 
Die Provinzen leisten einen Beitrag von 2/8 an die Kreise. Die Höhe 
der erstattungsfähigen Kosten setzt der Provussch. fest. Rechtsmittel 
§ 6. Die Ordnung über Einrichtung, Unterhaltung und Verwaltung der 
Wanderarbeitsstätten erläßt der Prov Landtag (§ 3). Zur Mitwirkung 
bei der Verwaltung und zur Hergabe geeigneter Räumlichkeiten für die 
Wanderarbeitsstätten sind die Gemeinden gegen angemessene Entschädigung 
verpflichtet. 
Während bei der Armenpflege der völlige Mangel an Subsistenz- 
mitteln die Voraussetzung ist und grundsätzlich nicht mehr gewährt wird, 
als unbedingt zur Hebung der Not und zur Darreichung des unentbehr- 
lichen Lebensunterhaltes erforderlich ist, ist die private Wohltätigkeit von 
diesen Schranken frei. Der bedeutendste Unterschied zwischen der Armen- 
pflege einerseits und der Wohlfahrtspflege und der privaten Wohltätigkeit 
andererseits liegt aber in der Einwirkung der Armenunterstützung auf die 
öffentlichen Rechte. Wenn auch der Eintritt der Armenpflege an sich keine 
Minderung der Rechtsfähigkeit im Gefolge hat, so ist doch mit Rücksicht 
auf die durch die Armenpflege eintretende Abhängigkeit in wirtschaftlicher 
Beziehung der Empfänger einer Unterstützung in seinen öffentlichen Rechten 
beschränkt. Sowohl das Recht zum Reichstag wie zum preußischen Landtag 
wie auch zu den Gemeindevertretungen in Preußen zu wählen, ebenso 
Schöffe, Geschworener, Beisitzer im Kaufmanns= und Gewerbegericht zu
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.