Full text: Handbuch des geltenden Öffentlichen und Bürgerlichen Rechts.

Armenwesen (Armenrecht, Freizügigkeit). 455 
wendung die „Armen“ bedacht sind, so kommt sie im Zweifel der Orts- 
armenkasse zugute (§§ 2072 BG., s. auch über die Geltendmachung 
§§ 525, 2194 BGB. und M. 16. 11. 99, GS. 562). 
(Die in Anstalten geübte öffentliche Armenpflege nennt man die 
„geschlossene“, im Gegensatz zu der „offenen“, welche durch Hingabe von 
Almosen usw. geschieht.) 
Hier mag auch des sogen. Armenrechts, im Sinne der Befreiung 
Mittelloser von den Kosten eines Prozesses, gedacht werden, wenngleich 
es sich hier nicht um einen Akt der Armenpflege handelt und anders als 
bei der Armenpflege auch nicht völliger Mangel an Subsistenzmitteln die 
Voraussetzung der Verleihung des Armenrechtes ist, sondern nur die Un- 
möglichkeit, die Kosten gerade eines bestimmten Prozesses ohne Gefährdung 
des Unterhalts zu bestreiten. Das Recht wird vom Prozeßgerichte nach 
Beibringung eines Zeugnisses der obrigkeitlichen Behörde 1) und zwar in 
den Städten mit Königl. Polizeiverwaltung der Gemeindebehörden (M. 
11. 10 95, MBl. 223) über das Unvermögen des Betreffenden zur Be- 
streitung der Kosten zugebilligt, wenn die Sache nicht mutwillig oder 
aussichtslos erscheint (8PO. § 114ff. MV. 30. 6. 06, Ml. 229). 
Vgl. Allg Verf. 29. 4. 94, betr. die Beiordnung von Gerichtsvollziehern 
JM l. 305. Durch Art. 20 ff. des internationalen Abkommens über den 
Zivilprozeß 17. 7. 05 REl. 09, 409 (s. Einleitung) haben sich die 
meisten europäischen Staaten verpflichtet, die Angehörigen eines jeden der 
betr. Staaten zum Armenrecht zuzulassen, wie die eigenen Staatsangehörigen. 
Für die 
öffentliche Armenhilfe 
sind folgende Gesetze einschlägig: 
Bundes-, jetzt Reichs G. über die Freizügigkeit 1. 11. 67, in der 
Fassung des Art. 37 EGBGB. 
Jeder Deutsche hat das Recht, innerhalb des Reichgebietes an jedem 
Orte sich aufzuhalten oder niederzulassen, wo er eine eigene Wohnung 
oder ein Unterkommen sich zu verschaffen imstande ist, an jedem Orte 
Grundeigentum zu erwerben und Gewerbe zu treiben (§ 1). Wer diese, 
jetzt auch aus der Reichsangehörigkeit (ugl. Art. 3 RV.; G. 1. 6. 70, 
S. 236, 246 f.) folgenden Befugnisse in Anspruch nimmt, hat auf Verlangen 
den Nachweis der Reichsangehörigkeit zu führen und, falls er unselbständig 
ist, die Genehmigung des gesetzlichen Vertreters zu erbringen, Ehefrauen 
bedürfen der Genehmigung des Ehemannes (§ 2, EB#GB. Art. 37). In- 
soweit bestrafte Personen pach dem Landesgesetze Aufenthaltsbeschränkungen 
durch die Polizeibehörde unterworfen werden können, behält es dabei sein 
Bewenden 2). Personen, welche solchen Aufenthaltsbeschränkungen unter- 
liegen, und denen, welche in einem Bundesstaate innerhalb der letzten 
12 Monate wegen wiederholten Bettelns oder Landstreichens bestraft 
sind, kann der Aufenthalt in jedem anderen Bundesstaate von der Landes- 
polizeibehörde verweigert werden (§ 3). Zur Herbeiführung einer gleich- 
1) In Berlin erteilt das Armutszeugnis die Armenverwaltung des Magistrats (M. 2. 1. 92 
IMBl. 8). 
) Diese Vorschrift bezieht sich auch auf die nach R. unter polizeiliche Aufsicht gestellten Per- 
sonen (8 3.8 StG B.; M. 30. 11. 02 MBl. 08, 8).
	        
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