Armenwesen (Unterstützungswohnsitzgesetz). 465
freien Selbstbestimmung bei der Wahl des Aufenthaltsortes ausgeschlossen
wird (Zwang, Geisteskrankheit), so beginnt die 1 jährige Frist erst mit
dem Tage, an dem diese Umstände aufgehört haben (§ 12).
b. Ruhen des Laufes der 1 jährigen Frist. Die Frist ruht, wenn
die zuletzt erwähnten, die freie Selbstbestimmung ausschließenden Umstände
erst nach dem Beginn des Aufenthaltes eintreten, während ihrer Dauer
(&* 12); ferner während der Dauer der von einem Armenverbande ge-
währten öffentlichen Unterstützung, falls sie ein notwendiger Akt der öffent-
lichen Armenpflege ist (BäA. 23, 23; 32, 34 (§ 14); wobei es unerheb-
lich ist, ob jemand selbst oder mittelbar, in der Person seiner Frau oder
Kinder, unterstützt wird. Das „Ruhen“ ist zu unterscheiden von der
„Unterbrechung“ der Frist; bei dieser muß die Frist von neuem begonnen
werden, bei dem „Ruhen“ läuft sie nach dem Aufhören des Hindernisses
weiter; der Aufenthalt vor Beginn und nach dem Aufhören des Hinder-
nisses wird zusammengerechnet.
c. Unterbrechung der 2 jährigen Frist. Sie geschieht durch und mit
Absendung des von einem AV. gemäß § 5 des Freizügigk G. gestellten
Antrages auf Anerkennung der Verpflichtung zur Übernahme eines Hilfs-
bedürftigen. Einem Überführungsantrage des endgültig verpflichteten
AV. ist diese Wirkung nicht ausdrücklich beigelegt; doch hat er nach der
Rechtsprechung des Bundesamts f. d. Heimatsw. die Wirkung eines Uber-
nahmeantrages, wenn er ein unbedingtes Anerkenntnis enthält und der
vorläufig unterstützende AV. von den für ihn sich daraus ergebenden
Rechtsfolgen Gebrauch macht (BA. 28, 42; 38, 12). Die Unterbrechung
gilt als nicht erfolgt, wenn der Antrag nicht binnen 2 Monaten (d. h.
bei der zuständigen Spruchbehörde) verfolgt oder wenn er erfolglos
geblieben ist (§ 14).
Im übrigen wird eine Unterbrechung auch bei einer freiwilligen Ent-
fernung nicht angenommen, wenn aus den Umständen, unter welchen sie
erfolgt, die Absicht erhellt, den Aufenthalt beizubehalten (§ 13; z. B.
Lokomotivführer, Besuchsreisende, Schiffer u. dergl., BA. 10, 5; 21, 22;
30, 6, ebensowenig durch polizeiliche Ausweisung, die eine tatsächliche Ent-
fernung nicht zur Folge hat (OVG. 12, 405).
b) durch Verehelichung. Die Ehefrau teilt vom Zeitpunkte der
Eheschließung ab (mit ihren, aus einer früheren Ehe entsprossenen ehe-
lichen und ihren unehelichen nicht armenmündigen Kindern, auch wenn
sie zur Zeit der Verheiratung bereits unmittelbar oder, durch die Kinder,
mittelbar der öffentlichen Armenpflege anheimgefallen war) den Unter-
stützungswohnsitz (bzw. das landarmenrechtliche Verhältnis) des Ehemannes
§ 15). Witwen und geschiedene Ehefrauen (vgl. § 1564 BEG#B.) be-
halten den bei Auflösung der Ehe gehabten Unterstützungswohnsitz so lange,
bis sie ihn gemäß §§ 22—27 verloren oder einen anderen gemäß §§ 9
bis 14 erworben haben (§ 16). Eine frühere Abwesenheit vom Orte,
vor Auflösung der Ehe, wird natürlich nach dem Grundsatze des § 15
nicht mitgerechnet. Als selbständig in Beziehung auf Erwerb und Verlust
des Unterstützungswohnsitzes gilt aber die Ehefrau auch während der
Dauer der Ehe, wenn und solange der Ehemann sie böslich verlassen hat,
ferner wenn und solange sie während der Dauer der Haft des Ehemannes
Zelle, Handbuch. 6. Aufl. 30