Kirchenrecht (Kirchenverfassung der ev. Kirche). 513
geordneten Aufsicht des Staates unterworfen bleibe, weil die katholische
Kirche in Preußen Veranlassung nahm, sich von jener staatlichen Ober-
aussicht für befreit zu erachten. Dies — abgesehen von politischen und
diplomatischen Motiven — war der Grund der sog. Mai= oder Kultur-
kampfgesetze der 70er Jahre, die sich zwar auch auf die evangelische Kirche
bezogen, diese aber, welche in ihrer Verfassung und in ihrem Klerus
sich wesentlich an die Staaatsgewalt anlehnt, nicht eigentlich trafen. Da
die Art. 15, 16, 18 d. Verfassung dem Erlasse der kirchenpolitischen Ge-
setzgebung entgegenstanden, erfolgte ihre Aufhebung durch G. 18. 6. 75
(GS. 259). Das Ende des Kulturkampfes bezeichnen die G. 21. 5. 86
u. 29. 4. 87 (GS. 147 u. 127) betr. Anderung der kirchenpolitischen
G.; ferner wurde durch G. 6. 5. 90 (Rl. 65) das G. 4. 5. 74
(Rl. 43) betr. die Verhinderung der unbefugten Ausübung von
Kirchenämtern aufgehoben; gleichzeitig wurden die auf Grund des G.
4. 5. 74 ergangenen Verfügungen der Zentral-= und Landespolizeibehörden
außer Kraft gesetzt; endlich verfügt das G. 24. 6. 91 (GS. 227) über
die Beträge, welche auf Grund des G. 22. 4. 75 (GS. 194) betr. die
Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln für die römisch-katholischen
Bistümer und Geistlichen inzwischen angesammelt worden sind, zugunsten
der einzelnen Diözesen bzw. Diözesananteile. In erster Reihe sind durch
besondere Kommissionen nach freiem Ermessen an solche Institute und
Personen bzw. deren Erben, welche auf Grund G. 22. 4. 75 Einbuße
erlitten haben, Beträge bewilligt (Art. 2); aus den Restbeträgen ist ein
Diözesanfonds angelegt worden (Art. 5).
B. Inneres Kirchenrecht oder Kirchen verfassungsrecht.
1. In der evangelischen Kirche wird zumeist angenommen, daß
der Landesherr als „summus episcopus“ die Spitze bildet. Unter ihm
stehen dann als von ihm oder der Staatsgewalt ernannte „birchenregiment-
liche“ Behörden: der Oberkirchenrat (eingesetzt durch Allerh. Erlaß
29. 6. 50, GS. 343) und die Konsistorien!) mit General-Superin-
tendenten und Superintendenten als Hilfsorganen; neben diesen Behörden
haben der Minister für die geistlichen Angelegenheiten, die Regierungen und
der Landrat bei den äußeren kirchlichen Angelegenheiten mitzuwirken. Diese
Verfassung heißt Konsistorialverfassung. Den Gegensatz dazu bildet
die Synodal= und Presbyterialverfassungz; hier wird die Kirche
vom Geistlichen und von Altesten, die durch die Gemeinde gewählt werden,
und in höherer Instanz von der aus gewählten Vertretern bestehenden
Synode regiert. Ohne das erstere System zu beseitigen, hat man für die
östlichen Provinzen Preußens ein Stück von dem zweiten eingeführt
durch die «
Kirchengemeinde-= und Synodal. 10. 9. 73,
welche durch das staatliche G. 25. 5. 74 (GS. 151, 147) sanktioniert
ist (dazu revidierte Instruktion 25. 1. 82, KG#VBl. 1). Sie stellt an
die Spitze den Grundsatz der Selbstverwaltung der Kirchengemeinden
für ihre Angelegenheiten. Aber während die kommunale Selbstver-
1) Durch Erl. 14. 1. 95 (GS.% 7) ist im Konsistorium für die Provinz Brandenburg eine Ab-
teilung Berlin eingerichtet. AusfInstr. 24. 1. 95 (KGVBl. 19). Die Mitglieder der Konsistorien sind
unmittelbare Staatsbeamte (OVG. 35, 447).
Zelle, Handbuch. 6. Aufl. 33