Die GOrganisation der Reichs-Staatsgewalt. 99
Die elsaß-lotkringische Landesverwaltung umfaßt, ganz wie bei
den Einzelstaaten, alles, was nicht durch die Reichsverfassung
dem Reiche überwiesen ist; das Eisenbahmwesen ist Reichssache.
5. Meben dem Miinisterium steht als beratendes Organ für
Gesetzgebung und Derwaltung noch der Staatsrat, dem alle
Gesetzentwürfe und allgemeinen Dollzugsverordnungen zur Be-
gutachtung — nicht zur bindenden Beschlußfassung — vorgelegt
werden müssen; er besteht aus dem Staatssekretär, den Unter-
staatssekretären, dem Hräsidenten des Oberlandesgerichtes, dem
Oberstaatsanwalt, sowie 8— 12 vom Kaiser auf drei Jahre
frei ernannten Mitgliedern, für deren drei der Landesausschuß
ein unverbindliches Dorschlagsrecht Rat. Den Vorsitz im Staats-
rate führt der Statthalter, eventuell der Staatssekretär.
Außer dem Staatsrat besteht noch ein besonderer kaiser-
licher Rat, aus 10 vom Kaiser ernannten Mitgliedern, als
oberste Instanz der Derwaltungsgerichtsbarkeit.
6. Endlich hat Elsaß= Lothringen auch noch eine Dolks-
vertretung, welche zurzeit zwar noch weit davon entfernt ist,
im RZechtssinne ein Landesparlament zu bilden, welche aber tat-
sächlich me#br und mebr in die Stellung eines solchen hinein-
gewachsen ist: den Landesausschuß. Der Landesausschuß
wurde bereits 1874 als beratendes Organ für alle Landes-
angelegenheiten errichtet. Durch das Gesetz vom 2. Mai 1877
wurden ihm dann gesetzgeberische Funktionen derart übertragen,
daß die parlamentarische Sustimmung des Reichstages für elsaß-
lothringische Landesgesetze durch den Landesausschuß erteilt
werden konnte. Dies ist seitdem die Regel geworden und der
Reichstag tatsächlich aus den reichsländischen Landesangelegen-
Beiten völlig ausgeschieden, ohne doch rechtlich seinen Charakter
als Gesetzgebungsorgan für Elsaß-Cothringen, auf das jederzeit
zurückgegriffen werden kann, zu verlieren. Auch die übrigen
parlamentarischen Rechte, wie Hetitionsrecht, Interpellationsrecht,
Recht der Gesetzes-Initiative wurden dem Landesausschuß ein-
geräumt; ebenso die straf= und prozeßrechtlichen Hrivilegien seinen
Mitgliedern. Die Derhandlungen sind deutsch zu führen; Dor-
aussetzung des Eintritts ist der dem Kaiser zu leistende Treueeid.
Sein Hräsidium wählt sich der LCandesausschuß selbst. Die
Formen seiner Arbeit sind die rein parlamentarischen.
Bis 1870 bestand der Landesausschuß aus 30 MWitgliedern,
deren Sahl durch das Gesetz vom 4. Juli 1870 auf 58 erhöht
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