Full text: Die Deutsche Reichsverfassung.

102 Die Organisation der Reichs-Staatsgewalt. 
behielt den Eingeborenenfühtrern gewisse staatshohe#itliche Befug- 
nisse vor und stellte die betreffenden Gebiete und Stämme in 
den Schutz des Reiches (dahe#r „Schutzverträge"). Die Verträge 
endlich, welche das Reich mit mehreren Handelsgesellschaften 
abschloß, entsprangen dem anfänglichen Bestreben, den neuen 
kolonialen Aufgaben, welche sich an den Erwerb des fremden 
Landes knüpften, nicht selbst nachzugehen, sondern dies privaten, 
mit staatlichen Hoheitsrechten „belelhnten“ Unternehmungen auf 
eigene Kosten zu überlassen. Der Deutschostafrikanischen Gesell- 
schaft und der Neu-Guinea Kompagnie wurde durch „Schutz- 
briefe“ das Orivileg erteilt, die Regierung und Derwaltung der 
neuen Landstriche in Dertretung des Reiches auszuüben. Beute 
bestebt keine mit derartiger öffentlichrechtlicher Stellung ausge- 
stattete Kolonialgesellschaft mehr, sondern der Staat hat die 
Derwaltung seiner Kolonien allmählich selbst in die Hand ge- 
nommen und führt sie Reute allein. Die gesetzliche Grundlage 
des ganzen Kolonialrechts bildet zur Seit das Schutzgebietsgesetz 
Guerst vom I7. April 1886) in der Fassung vom 25. Juli 1000. 
Eine Sigenart, die trotz ihrer grundsätzlichen Bedenken immer- 
noch nicht beseitigt worden ist, ist die Geltung einer Reihe von 
Bestimmungen des Konsulargerichtsbarkeitsgesetzes vom 7. April. 
1900. 
3. Wenn auch das Band, das die Kolonien mit dem Reich 
verknüpft, im Laufe der Jahre ein immer festeres geworden ist, 
so kann doch von einer gleichwertigen Stellung beider Terri- 
torien noch keine Rede sein. Die Kolonien sind nicht als „Be- 
standteile“ des Reiches aufzufassen, sondern als „.Reichsneben= 
länder". Die Wissenschaft Rat lange Seit gebraucht, um dies 
Verhältnis mit einiger Sicherheit festzustellen. Suerst überwunden 
wurde die ganz haltlose, durch die Ausdrücke „Schutzgebiet“, 
„Schutzvertrag“", „Schutzgewalt“ veranlaßte Theorie, die Kolo- 
nien seien Reichsprotektorate, während doch als solche nach den 
Grundsätzen des Dölkerrechts nur „Staaten“ in Betracht kommen 
können. Länger hielt sich die Formel, die Schutzgebiete seien 
staatsrechtlich „Ausland"“. Diese Anschauung ist nicht minder 
falsch als die vorige, weil die Staatsgewalt, welche über den 
Kolonien und in ihnen herrscht, einfach die deutsche Reichs- 
gewalt ist und Ausland begrifflich nur das Gebiet sein kann, 
das einer fremden, d. R. nichtdeutschen Staatsgewalt untersteht. 
Die Kolonien sind demnach ausschließlich Reichsinland. Bieran.
	        
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