Full text: Die Deutsche Reichsverfassung.

Die GOrganisation der Reichs-Staatsgewalt. 103 
#ändert der Umstand nichts, daß die Deutsche Reichsverfassung 
in ihnen nicht eingeführt ist und somit nicht gilt; Elsaß= Cothringen 
war zweifellos längst Deutsches Land, als die Reichsverfassung 
— am lI. Januar 1874 — dort eingeführt wurde. Anderseits 
ist aus der Nichtgeltung der Reichsverfassung in den NRolonien 
die wichtige Folgerung zu zieben, daß das gesamte (auf der 
Reichsverfassung beruhende) Reichsrecht an sich in den Nolonien 
nicht, vielmehr erst dann gilt, wenn es ausdrücklich für sie mit- 
erlassen oder auf sie ausgedehnt wird. 
4. Die Beichsstaatsgewalt führt, soweit sie über die Ko- 
lonien gebietet, den technischen Tkamen „Sfchutzgewalt"“. Dieser 
historisch gewordene und überkommene und immer noch beibe- 
haltene Ausdruck ist gegenwärtig juristisch vollständig gleich. 
bedeutend und gleichwertig mit „Staatsgewalt“, „Reichsgewalt“. 
Inhaber dieser Schutzgewalt ist naturgemäß der Reichssouverän, 
d. k. die im Zundesrate verkörperte Einheit der Deutschen ver- 
bündeten Regierungen. Die tatsächliche Bandhabung, die „Aus- 
übung" der Schutzgewalt ist dem Kaiser übertragen 
worden (8 I des Schutzgebietsgesetzes). Die deutsche Kolonial-= 
staatsgewalt ist damit auf eine feste gesetzliche Grundlage gestellt 
worden und berubt nicht mebr, wie vor Erlaß des Schutz- 
gebietsgesetzes, auf bloßer gewohnheitsrechtlicher übung. In 
dieser Gewalt enthalten sind alle Rechte, welche dem Träger 
der Staatsgewalt zuste#en, so insbesondere das Recht der völker- 
rechtlichen VDertretung, der Regierung, Verwaltung, Gesetzgebung, 
Rechtsprechung und des militärischen GOberbefehls. Doch sind 
diese Befugnisse der kaiserlichen Schutzgewalt mehrfach zugunsten 
des Zundesrates, teilweise auch des Reichstages, eingeschränkt. 
Dies gilt insbesondere für den praktisch wichtigsten Inhalt der 
Schutzgewalt, für das Gesetzgebungsrecht. In der Regel zwar 
geschieht die Rechtserzeugung für die Kolonien im Wege der 
Laiserlichen DTerordnung. Des formellen Gesetzesweges aber, 
d. R. der Sustimmung von Bundesrat und Zeichstag, bedarf 
es, wenn eine Wraterie des Schutzgebietsgesetzes, eines anderen 
formellen Kolonialgesetzes oder der Schutzgebietshaushalt zu 
regeln ist; doch nimmt dabei der Kaiser eine ganz andere Stel- 
lung als bei der sonstigen Reichsgesetzgebung ein, indem ihm 
das Zecht zur Mitwirkung bei der Schaffung des Gesetzes- 
inhaltes, das Sanktionsrecht (Recht zur Erteilung des Gesetzes- 
befehls) und demgemäß auch das Detorecht zusteht. Alle Er-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.