Full text: Die Deutsche Reichsverfassung.

Das Reich kein Bund, sondern ein Staat. 33 
Betrachten wir aber die uns umgebende Außenwelt, so lebrt 
uns die Erfahrung, daß es außer der staatlichen Herrschaft noch 
Berrschaftsverhältnisse mannigfacher und. verschiedener anderer 
Art gibt. Ich erwähne nur Kirche, Gemeinde. 
Das unterscheidende Merkmal aber der staatlichen Herr- 
schaft gegenüber allen anderen Herrschaftsverkältnissen ist: daß die 
Berrschaft des Staates oberste HBerrschaft ist. Schon den Römern 
ist diese Anschauung geläufig, ja man darf wohl sagen selbst- 
verständlich. Und nicht minder prägt sie sich im Leben und der 
Gesetzgebung des großen Germanenstaates der Dölkerwanderung, 
im Frankenreiche, schon der Merovingerzeit, aber ganz besonders 
in dessen höchster Machtentfaltung, im RBeiche Karls des 
Großen, aus. 
Die nachfolgende Heriode der Weltgeschichte, das spätere 
Mittelalter, verwischte diesen Gedanken der obersten Herrschaft 
des Staates zu gunsten der Herrschaft der Kirche. Aber indem 
diese Berrschaft der KRirche juristisch eingekleidet wird in die 
Formen des LCehensstaates; indem der Hapst sich als monarcha 
mundi in der ZRechtsform der Cberlehensberrschaft über die 
Königreiche und Fürstentümer der Welt betrachtet und Jahr- 
hunderte lang, wenn auch immer unter Kämpfen, durchsetzt; 
indem der Eid, den der deutsche König bei der Kaiserkrönung 
zu leisten Rat, vom Corpus Juris Canonici als Lekenseid des 
Lehensmannes an den Lehenshberrn erklärt wird, kommt doch 
staatsrechtlich immer wieder der gleiche Gedanke zum Ausdruck; 
nur ist die Kirche jetzt der Universalstaat, dessen einzelne ge- 
horsamspflichtige Zestandteile die weltlichen Staaten sind. „Jesus 
CThristus,“ so erklärt Gregor VII., „hat den Dapst zum Fürsten 
über die Königreiche der Welt gesetzt.“ 
Dieses großartige und vom kanonischen Recht in strenge 
juristische Form gebrachte System des kirchlichen Universalstaates 
erreicht sein Ende in dem heftigen Susammenstoß zwischen der 
römischen Kurie und dem französischen Staate Ende des 15. Jahr- 
Runderts. Die Zulle Unam Sanctam ist das HBohelied und 
das Schwanenlied zugleich des weltbeherrschenden Hapsttumes. 
Sieger in dem großen Hrinzipienkampfe bleibt der König Hbilipp 
der Schsne. Indem dieser Herrscher einerseits die Unabhängig= 
keit des französischen Staates von der Gberherrschaft der Kirche 
in äußeren weltlichen Dingen gegen Bonifac VIII. erstreitet, 
andererseits die lehensrechtliche Fersplitterung seiner Länder zu 
Sorn, Relchsverfassung. 3
	        
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