34 Das Reich kein Zund, sondern ein Staat.
gunsten der einbeitlichen konzentrierten Königsgewalt Überwindet,
hat er in Frankreich zuerst den Typus des modernen Staates
aufgerichtet, nach dessen Dorbild sich weiterhin mehr oder minder
alle abendländischen Staaten gestalten.
Der Lernpunkt dieser Staatsgestaltung- ist die oberste
Berrschaft des Staates über alle äußeren irdischen
Derhkältnisse seines Gebietes.
Bald knüpft sich an diese Entwickelungen des Staatslebens
auch der Anfang einer staatsrechtlichen Literatur, und es ist kein
SEufall, daß ein Franzose, Jean Bodin, das erste geleh#rte Werk
in diesem Sinne in seinen libri sex de republica (1576)
schreibt und veröffentlicht. Ihm folgen dann in der gleichen
Richtung die Schriftsteller anderer Mationen, vor allem der
englische Philosoph Hobbes und der deutsche große Jurist und
Ristoriker Samuel von Hufendorf.
Die Schriftsteller bezeichnen die Berrschaft des Staates in
diesem Sinne als suprema potestas, in französischer Spracke
als souveraineté, und dies französische Wort hat sich Bürger-
recht bei uns, bei den Engländern und in anderen Sprachen
erworben (Souverdnitädt, sovereignty, sovranitä).
Seitdem ist es Fundamentalgrundsatz für Theorie und
Draxis des Staatsrechtes, daß die Souveränität das oberste
und eigentliche, essentielle Begriffsmerkmal des
Staates sei, „Wo irgend eine menschliche Genossenschaft be-
stekt, die sich die Souveränität erobert hat, da ist sie Staat"“
(Treitschke). Staat im vollen ganzen Sinne ist nur der souveräne
Staat. Und näher erklärt wird diese Souveränität mit den
Worten: indépendance de dui due ce scit excepté Dieu
et le bon 64pPée. Das Staatsgebilde, das diese Unabhängig-
keit noch nicht gewonnen hat, ist noch nicht Staat im vollen
Sinne; das Staatsgebilde, das diese Unabhängigkeit eingebüßt
hat, ist es nicht mehr.
Mag auch die Wirklichkeit sich in mancherlei Windungen
um diesen Satz schlingen, grundsätzlich festgehalten ist er in
Theorie und Hraxis seit dem I4. Jahrhkundert bis zum heutigen
Tage als der Kardinalpunkt des Staatsrechtes. Und wenn die
neueste deutsche Theorie in zahlreichen und hochbedeutenden
Dertretern diesen Kardinalpunkt aufgeben will, so ist dies eine
Verlegenheitskonstruktion, deren Grũünde wir noch kennen lernen
werden.