Die GOrganisation der Reichs-Staatsgewalt. 51
erhalten bis zum letzten Tage des Zeiches und fand, abgesehen
von äußeren Formen und Titeln, seinen staatsrechtlichen Aus-
druck darin, daß die Reichsgesetze, wenn inhaltlich vom Reichs-
tage beschlossen, ihre rechtlich bindende Kraft erst durch die
Sanktion des Kaisers erbielten.
Diesen Rechtscharakter der Monarchie trägt unser neues
Reich nicht. Es kann darüber nicht der mindeste Sweifel ob-
walten, daß die erst 22, weiterhin 25 deutschen Einzelstaaten,
die sich zum Reiche zusammenschlossen, dies nicht mit der A#b-
sicht taten, den König von Hreußen als deutschen Kaiser im
Sinne des Trägers der Beichssouveränität über sich anzuerkennen.
Das heutige deutsche Kaisertum ist entstanden aus dem Orä-
sidium des NMorddeutschen Zundes und war — und ist — diesem
letzteren gegenüber nur eine Deränderung der staatsrechtlichen
Terminologie ohne Deränderung des sachlichen Inhaltes. So
groß uns der Gedanke unseres Kaisertumes ist im Cichte einer
tausendjährigen Tradition, im Lichte eines gewaltigen moralischen
Machtfaktors für das eigene Volk sowohl wie für die ganze
Welt und nicht zuletzt in dem strahlenden Lichte seiner glor-
reichen ersten Träger — staatsrechtlich ist das deutsche Kaisertum
kein monarchisches Kaisertum wie die Üübrigen. Auch wenn dem
der äußere Anschein noch so stark widersprechen mag und auch
wenn davon das deutsche olk selbst und die Welt — Gotg sei
Dank! — nichts weiß und nicht danach fragt. Der bekannte
Streit zwischen unserem großen Kaiser und seinem großen
Kanzler über die Fassung des Kaisertitels: ob Deutscher Kaiser
oder Kaiser von. Deutschland — war keineswegs ein inhalts-
leerer Wort,treit.
Bei jedem gegebenen Anlaß hat es der Fürst Bismarck
betont: daß der Kernpunkt der Souveränität bei den verbündeten
Regierungen rube, aber nicht im Sinne der Seddelschen
Theorie bei den Einzelstaaten als einzelnen, sondern in ihrer
Susammenfassung zur staatsrechtlichen Einheit.
Die Frankfurter Derfassung der Haulskirche hatte diesen
Gedanken verwischt; aber im Erfurter Harlament, unter der
Agide Hreußens, trat er stark hervor; und Bismarck hat ihn
übernommen und zur Grundlage unserer heutigen Kieichs-
verfassung gemacht.
Träger der Souveränität des Reiches ist die Ein-
heit der verbündeten Regierungen; diese Einheit ist
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