Full text: Die Deutsche Reichsverfassung.

4 Die Vorgeschichte des Reiches. 
Regierung auf's äußerste erschwert. Diese Schwierigkeit war 
von Anfang an vorhanden und hat sich im Laufe der Jahr- 
ze##nte nicht verringert, sondern in fast stetiger Steigerung ver- 
größert: die auf politischer Unreife beruhende ZSersplitterung des 
Dolkes selbst und der Harteien in seiner parlamentarischen Der- 
tretung ist die Zauptschwierigkeit unseres heutigen deutschen 
Staatslebens. 
Demgegenüber ist die festgefügte Sinbeit der Regierungen 
der sichere und starke Mittelpunkt unseres neuen Staatslebens 
geworden und geblieben. Für die Gliederung des deutschen 
Dolkes in Einzelstaaten hat der welthistorische Hrozeß des 
Jahres 1866 die notwendige Einschränkung einerseits, die feste 
Bürgschaft andererseits gegeben: auf dieser Grundlage muß das 
staatliche Leben des deutschen Dolkes sich nunmehr weiterentwickeln. 
Und so dürfen wir die deutsche Staatsentwickelung durch 
und seit 1866 bezw. 1870 als in der Hauptsache wellhistorisch 
abgeschlossen ansehen. 
Die Zundesform des deutschen Staates entspricht dem 
Wesen des deutschen Volkes- Das englische und insbesondere 
das französische Dolk strebten, wenn auch in höchst verschiedener 
Weise, immer der staatlichen Sentralisation zu. Das deutsche 
Wesen widerstrebt und widerspricht der SZentralisation; der 
Individualismus ist die stärkere Kraft unseres volkstumes und 
nur „ferro et igni“, nur durch die äußersten Mittel, zuletzt 
durch das furchtbare Mittel des Bruderkrieges, war es über- 
Ma#upt möglich, den deutschen Individualismus soweit zu brechen, 
daß die notwendigen Voraussetzungen für eine starke nationale 
Staatseinheit geschaffen werden konnten. 
Von Anbeginn unserer Geschichte sehen wir die deutschen 
Stämme zersplittert, uneinig, sich bekämpfend und vernichtend 
(opropter invidiam“ sagt Tacitus). Im Reiche der Franken, 
besonders in dessen höchster Machtentfaltung unter Karl dem 
Großen, war allerdings für eine kurze Spanne Seit eine so gut 
wie vollständige nationale Staatseinheit des Germanentumes ge- 
wonnen. Aber sie konnte nicht erhalten werden, und der Teil 
des großen Weltreiches, der seit der WMitte des 0. Jahrhunderts 
(845 bezw. 870) als Deutsches Reich sich gestaltete, Rat zwar 
in seinen ersten Seiten mancherlei, zum Teil vielversprechende 
Ansätze zu einer starken nationalen Staatsgestaltung genommen, 
aber sie sind alle vergeblich gewesen.
	        
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