Full text: Die Deutsche Reichsverfassung.

Die Organisation der Reichs-Staatsgewalt. 81 
prägung noch in der weiteren Verfassungsvorschrift, daß auch 
die konstitutionelle Minister-Verantwortlichkeit dem Reichskanzler 
durch die Verfassung nur auferlegt ist für die „Anordnungen 
und Verfügungen des Kaisers“; nur diese, nicht diejenigen 
des Bundesrates, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung 
des Reichskanzlers, welcher dadurch die Derantwortlichkeit über- 
nimmt (K. Art. 17, s. oben S. 70); die Unterzeichnung der 
Beschlüsse des Zundesrates durch den Reichskanzler ist nur ein rein 
formeller estandteil des Vorsitzrechtes; die materielle Verantwortung 
für undesratsbeschlüsse trägt nur dieser selbst als Kollegium. 
Durch die Vorschrift von . Art. 17 ist der Reichs- 
kanzler an die Spitze aller Reickhsangelegenheiten, 
ausgenommen die von der Gegenzeichnungspflicht 
ausgeschlossenen militärischen Kommandosachen, gestellt. 
II. Durch den Umfang, den die Reichsangelegenheiten all- 
mählich annahmen, ergab sich jedoch die zwingende Notwendig- 
keit einer Entlastung des Reichskanzlers durch Gliederung 
der einzelnen Derwaltungszweige und Bestellung ver- 
antwortlicher Chef-s an deren Spitze. Dieser Notwendig- 
keit hat, nachdem vorher die Gliederung des Reichskanzleramtes 
in Abteilungen diesem Sweck in ungenügender Weise gedient 
hatte, das die Derfassung ergänzende Gesetz vom 17. März 1878 
Rechnung getragen. An der grundsätzlichen Stellung des Reichs- 
kanzlers sowohl als Dorsitzender des Bundesrates wie als 
oberster Reichsminister ändert dies Gesetz nichts; insbesondere 
hat der Reichskanzler auch nach diesem Gesetze die rechtliche 
Möglichkeit, in jedem VDerwaltungszweige des Reiches zu jeder 
Geit ministerielle Verfügungen jeder Art zu erlassen (88 3, 4 d. G.). 
Dem vorbezeichneten Bedürfnisse aber trug das Gesetz in der 
Weise Rechnung, daß es gestattete, die Dorsteher der in 
eigener und unmittelbarer Verwaltung des Reiches 
besindlichen Geschäftszweige mit der verantwortlichen 
Stellvertretung des Reichskanzlers zu beauftragen 
68 1, 2d. G.)9. 
1) „#3 5. Dem Reichskanzler ist vorbehalten, jede Amtshandlung 
auch während der Dauer einer Stellvertretung selbst vorzunehmen. — 
z 4. Die Bestimmung des Artikel 15 der Beichsverjafn wird durch 
dieses Gesetz nicht berührt. 
1. Die zur Eäisre der Anordnungen und Derfügungen 
des Kaisers erforderliche Gegenzeichnung des Reichskanzlers, sowie die 
GVorinnt,t Beichsperfasan 6
	        
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