Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Erster Band. (1)

  
24 Auswärtige Politik. I. Buch. 
  
unsere Beziehungen zu den Vereinigten Staaten nichts zu besorgen. Achtung vor dem 
anderen auf der Grundlage und in den Grenzen der Selbstachtung wird auch der Freund- 
schaft zwischen uns und den Bereinigten Staaten am zuträglichsten sein. 
Heutschland und Fapan. Abnlich wie unsere Beziehungen zu Amerika hatte 
) auch unser Verhältnis zu Japan gegen Ende des 
19. JLahrhunderts eine Periode der Verstimmung zu durchlaufen. Bis zum Beginn der 
neunziger Jahre hatten wir den Japanern als Vorbild gedient und als Freund gegolten. 
Unsere militärischen Einrichtungen, unsere kriegerische Vergangenheit fanden in dem ost- 
asiatischen Kriegervolk glühende Bewunderer, und nach der Besiegung Chinas nannten 
sich die Zapaner gern und mit Stolz die Preußen des Ostens. Unsere Beziehungen zu 
Japan bekamen einen starken Stoß, als wir 1895 mit Frankreich und Rußland das sieg- 
reiche Japan nötigten, seine Forderungen gegenüber dem besiegten China zurückzu- 
schrauben. Als wir damals Japan in den Arm fielen, verloren wir viele seit Jahr- 
zehnten dort aufgespeicherte Sympathien, ohne dafür bei Frankreich und Rußland 
sonderlichen Dank zu ernten. Ein vom Deutschen Kaiser um diese Zeit entworfenes 
Bild, das nur idealen Friedensbestrebungen dienen sollte, war von unseren Gegnern und 
Konkurrenten mit Eifer und Erfolg dazu benutzt worden, uns in Zapan Abbruch zu tun. 
Durch jahrelange Sorgfalt gelang es allmählich, in Zapan wieder einer besseren Stim- 
mung gegen Deutschland Naum zu schaffen. Wir haben kein Interesse daran, das hervor- 
ragend tüchtige und tapfere Volk zum Gegner zu haben. Natürlich sind wir ebensowenig 
dazu da, den Japanern die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Es wäre nicht nur für 
Japan, sondern auch für England eine erhebliche Entlastung gewesen, wenn wir uns um 
ihrer ostasiatischen Interessen willen gegen Rußland hätten vorschieben lassen. Uns selbst 
wäre damit schlecht gedient worden. So wenig glücklich der Gedanke war, für die schönen 
Augen Frankreichs und Rußlands Japan zu verstimmen und uns zu entfremden, so wenig 
konnte uns daran liegen, uns wegen der ostasiatischen Interessen anderer Mächte mit 
Kußland zu entzweien. Gegen Ende der 80er Jahre sagte mir Fürst Bismarck einmal mit 
Bezug auf Rußland und Asien: „In dem russischen Faß gärt und rumort es ja ganz be- 
denklich, das könnte einmal zu einer Explosion führen. Am besten für den Weltfrieden 
wäre es wohl, wenn die Explosion nicht in Europa, sondern in Asien erfolgte. Wir müssen 
uns dann nur nicht gerade vor das Spundloch stellen, damit der Zapfen nicht uns in den 
Bauch fährt.“ Hätten wir uns vor dem russischjapanischen Kriege gegen Rußland vor- 
schieben lassen, so wären wir bei der Explosion vor das Spundloch zu stehen gekommen. 
Ich habe den Fürsten Bismarck auch gelegentlich sagen hören: „Wenn Ihnen Herr N. 
etwas vorschlägt, das für ihn nützlich, für Sie aber schädlich ist, so ist das nicht dumm von A. 
Es ist aber dumm von Ihnen, wenn Sie darauf eingehen.“ 
  
Kontinental- und Weltpolitik. Wenn Heutschland nach der Erreichung des 
großen Zieles seiner europäischen Politik mit 
den vermehrten und ständig sich vermehrenden Kräften in die weitere Welt hineinlangen 
kann, so ist damit nicht gesagt, daß nun die ganze Summe unserer nationalen Kraft für 
  
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