III. Buch. Der Strafprozeß. 59
meines Erachtens an diesen zu ändern wäre, ist der allzu stockwerkreiche Aufbau von ver-
schiedenen Gerichten übereinander. Werden die Schwurgerichte in Schöffengerichte
umgewandelt, so sind nicht mehr 5, sondern nur 2 Stufen von Gerichten in jeder der
beiden Instanzen erforderlich. Es genügen dann in erster Instanz 1. Schöffengerichte
an den Amtsgerichten mit 1 Amtsrichter als Vorsitzendem und 2 Schöffen für Uber-
tretungen und leichte Vergehen, 2. Schöffenkammern an den Landgerichten mit
1 Landgerichtsdirektor, 1 Mitglied des Landgerichts und 3 Schöffen für alle übrigen
Straffälle ohne Unterscheidung von Verbrechen und Vergehen. Die Schöffen-
kammern bilden zugleich die Berufungsgerichte für die Schöffengerichte und zur Ent-
scheidung über Berufungen gegen Urteile der Schöffenkammern in 1. Instanz werden
an den Landgerichten Berufungssenate unter Vorsitz des Landgerichtspräsidenten oder
eines vom Oberlandesgericht entsandten Senatspräsidenten gebildet, denen neben dem
Vorsitzenden 2 Landrichter oder Landgerichtsräte und 2 Schöffen angehören. Dadurch,
daß die Zuständigkeit der Strafkammern, die jetzt als Kegel nur über Vergehen er-
kennen, auf Verbrechen ausgedehnt wird, kann auch im StE. die Unterscheidung
zwischen diesen beiden Gruppen von Strafhandlungen fallen. Sie ist im §&l 1 des
St S. lediglich nach den angedrohten Strafarten bestimmt und schon jetzt dadurch
durchbrochen, daß bei vielen Verbrechen mildernde Umstände zugelassen und dann
die für Vergehen vorgesehenen milderen Strafarten anzuwenden sind. Wenn das
neue Str. den jetzigen Anschauungen entsprechend, die Anwendung der schweren
Strafarten mehr von der verbrecherischen Individualität des Täters, als von der
Schwere der Tat abhängig macht, verliert die Unterscheidung von Verbrechen und
Vergehen vollends ihre Bedeutung.
Was die Strafverfolgung betrifft, so hält sich die von der
Reichstagskommission vorgeschlagene und vom Bundesrat
angenommene Beschränkung des Anklagemonopols
der Staatsanwaltschaft, wonach gegen die von ihr verfügte Einstellung eines Ermitte-
lungsverfahrens der Antrag auf Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht nur dem
Verletzten, sondern jedem zustehen soll, der ein berechtigtes Znteresse an der Verfolgung
hat, in verständigen Grenzen. Desgleichen ist es durchaus zu billigen, daß der Entwurf
andererseits im Interesse einer verständigen Handhabung der Strafrechtspflege das
Legalitätsprinzip— die bedingungslose Verfolgungspflicht der Staatsanwalt-
schaft — einschränkt. Vor allem gilt das von der Bestimmung des Entwurfs, daß die
Staatsanwaltschaft bei allen Uübertretungen wegen Geringfügigkeit der Verfehlung
von der Verfolgung absehen darf. Es wird damit nur gesetzlich festgelegt, was tatsächlich
schon ständig ohne auedrückliche Gesetzesbestimmung oder vielmehr, aufrichtig gesagt,
dem Gesetze zuwider geschieht. Bei Ubertretung ist eben das Legalitätsprinzip, das
selbstredend nicht nur von der Staatsanwaltschaft, der Amtsanwaltschaft und denjenigen
Polizeibehörden, welche die vorläufige polizeiliche Straffestsetzung handhaben, sondern
auch von den unteren Polizeibeamten bei ihren Ermittelungen und Nachforschungen
beachtet werden müßte, praktisch undurchführbar. Alle Tage wird von den Schutzleuten,
Einschränkung des
Legalitätsprinzips.
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