Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
100 Die Maschinen-Industrie. VI. Buch. 
  
weisung in staatlichen Lehrwerkstätten zu erteilen, die zweckmäßigerweise an tech- 
nische Hochschulen und höhere Maschinenbauschulen anzugliedern wären. Wenn der 
Praktikant dann aus diesen Werkstätten in die Industrie-Werkstätten kommt, so weiß er, 
auf was er zu achten hat, und kann sich ohne besondere Belastung des Werkes, vielleicht 
sogar diesem nützend, im wesentlichen autodidaktisch ausbilden. Der Besuch von Lehr- 
werkstätten ohne darauffolgende Arbeit in den Industrie-Werkstätten wäre falsch, denn 
diese zeigen immer ein anderes Bild als jene, und nur in den Arbeitsstätten kann man 
erfahren, was und wie der Industrie-Arbeiter über seine Arbeit und sein Verhältnis 
zur Leitung des Werkes fühlt und denkt. 
Bearbeitungs-Methoden. Die modernen Werkstätten der Maschinen- 
Induftrie sehen heute sehr viel anders aus als vor 23 
Zahren und sind anders organisiert. Wir arbeiten rascher, genauer und wirt- 
schaftlicher. Auch heute noch wird wie früher in drei Stufen bearbeitet: vor- 
chroppen, d. h. Abnehmen des überschüssigen Materials in groben Spänen, auf roheres 
Maß bringen durch feinen Span, auf genaues Paß-Maß bringen durch Glätten. Während 
jedoch vor 25 Jahren beim Vorschroppen und auf rohes Maß bringen das Werkzeug nur 
einen Span mit mäßiger Geschwindigkeit abhob, und das Glätten meist von Hand mit der 
Feile und Schmirgelleinwand geschah, gestattet heute der verbesserte Schnelldrehstahl 
das Abheben eines sehr groben, besonders breiten Spanes mit großer Geschwindigkeit, 
auf rohes Maß gebracht wird vielfach durch Abheben von mehreren breiten, aber dünnen 
Spänen durch den Fräser, der übrigens als Vorfräser auch zum Vorschroppen benützt 
wird, auf Paßmaß durch Glätten wird das Stück gebracht durch Ausreiben und Schleifen. 
Das Schleifen ist besonders für die jetzt sehr viel gebrauchten gehärteten Stücke 
von Wichtigkeit, erstens weil nur das Schleifpulver die harte Oberfläche anzugreifen, 
zweitens weil es die größte Glätte der Fläche herzustellen vermag. 
  
Meßverfahren. Werkzeugmaschinen. Vor 25 Jahren wurde in der Werkstatt 
gemessen durch ein vom Arbeiter einzu- 
stellendes Maß. Diese Einstellung war individuellen Fehlern unterworfen, die von zwei 
Arpbeitern hergestellten Gegenstände gleichen Zweckes waren also nicht genau gleich. 
Heute messen wir in der Werkstatt mit einem festen von den Sinnen des Arbeiters unab- 
hängigen Maß und benützen außerdem zwei Differenzmaße, das eine ist eine Idee 
größer, das andere ebensoviel Ueiner als das gewünschte Maß. Wir erreichen hiermit 
Genauigkeiten, deren Fehler kleiner als ½1000 mm sind. Die größere Beanspruchung 
infolge Abhebens größerer oder mehrerer Späne, die größere Schnittgeschwindigkeit, 
die Notwendigkeit, die Erreichung höchster Genauigkeiten nicht durch elastische Form- 
änderungen und Schwingungen der Werkzeugmaschinen zu stören, haben, allerdings 
nach dem Vorbild der Amerikaner, bewirkt, daß unsere heutigen Werkzeugmaschinen 
schwerer in der Masse, genauer in ihrem Gefüge und ihren Triebwerken geworden sind. 
Noch in einem weiteren wesentlichen Punkte haben uns die Amerikaner den richtigen 
Weg gezeigt. Ihr soviel größeres Absatzgebiet hat es ihnen von vornherein ermöglicht, 
  
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