Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
VI. Buch. Die Elektrizitäts-Industrie. 125 
  
1. Eine allgemeine Versorgung des ganzen Landes mit Elektrizität ist nur durch 
große Überlandwerke möglich, denen ein ausgedehntes Gebiet auf eine längere Zeit- 
dauer zur Elektrizitätslieferung zugewiesen wird. 
2. Die Errichtung der Uberlandwerke in den einzelnen Gebieten ist eigenen Aktien- 
gesellschaften zu übertragen, die entweder von den öffentlichen Körperschaften (Kreis- 
gemeinden, Städten) gemeinschaftlich mit Elektrizitätsgesellschaften und Bankgruppen 
oder von der elektrotechnischen Großindustrie und ihren Banken allein für jedes Ver- 
sorgungsgebiet gegründet werden. 
S. Zur Erzeugung des Kraftstroms sollen die staatlichen Wasserkräfte nach Möglich- 
keit herangezogen werden. 
4. Die Uberlandwerke sind verpflichtet, binnen einer bestimmten Zeit die Elektrizi- 
tätsversorgung in dem zugewiesenen Gebiete allgemein durchzuführen und auf Verlangen 
jede Gemeinde nach einheitlichen Bedingungen mit Elektrizität zu versorgen. 
S. Die größeren und insbesondere die städtischen Gemeinden errichten in der Regel die 
Anschlußleitungen und Ortsnetze auf eigene Kosten und übernehmen die Verteilung des 
Stromes selbst; sie sind Großabnehmer des Uberlandwerks. 
6. Die Landgemeinden überlassen den Uberlandwerken die Berteilung des Stromes 
an die Abnehmer selbst. Die Herstellung und Unterhaltung der Ortsnetze ist zunächst 
Sache der Uberlandwerke, die Gemeinden sind jedoch berechtigt, die Ortsnetze nach einer 
Reihe von JLahren zu billigen Bedingungen zu erwerben. 
7. Gemeinden oder Gebietsteile, die einen so geringen Stromverbrauch aufweisen, 
daß die Bruttoeinnahmen für den Stromabsatz zu den Aufwendungen für die Anschluß- 
leitungen und die Ortsverteilungsnetze in einem Mißverhältnis stehen, können von den 
Überlandwerken zu Sonderleistungen herangezogen werden, deren Höhe von Fall zu 
Fall der Prüfung der Staatsregierung unterliegt. 
8. Die Strompreise bedürfen der Genehmigung der Staatsregierung, sie sind 
jeweils nach einer Reihe von Jahren einer Revision zu unterziehen. 
9. Der Staat kann nach Ablauf eines längeren Zeitraumes, wenn wirtschaftliche 
Gründe es verlangen, die ÜUberlandwerke zu einem Preise erwerben, dessen Berechnungs- 
weise schon jetzt bestimmt ist. 
10. Der Ausbau der Uberlandwerke ist nach einem bestimmten Plane und in einer 
bestimmten Reihen- und Zeitfolge durchzuführen, die von der Staatsregierung fest- 
gelegt werden. Hierbei muß auf die Interessen der bestehenden kleinen Uberlandwerke 
gehörige Rücksicht genommen werden. 
11. Die Uberlandwerke haben sich jeder Beschränkung des freien Wettbewerbs bei 
der Ausführung der Anlagen, die nicht auf ihre Kosten geschehen, so insbesondere bei 
den elektrischen Inneneinrichtungen, zu enthalten. 
12. Zur Wahrung der Znteressen der Allgemeinheit wird die Kgl. Staatsregierung 
mit den Uberlandwerken dauernde Fühlung nehmen.“ 
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