Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
140 Die chemische Industrie. VI. Buch 
  
direkt von den Pflanzen aufgenommenen und darin besonders zu Eiweißkörpern verarbei- 
teten Salpeter in erster Linie Natron- oder Chilesalpeter. Daneben aber spielt heute 
das Ammoniak eine große Rolle, welches als Sulfat in den Handel kommt. 
Quellen für die Die Hauptquelle für das Ammoniak und dessen Salze 
sind heute die Kokereien und Leuchtgasfabriken; 
denn die darin der trockenen Destillation unterworfene 
Steinkohle enthält 1 bis 2 Prozent Stickstoff, welcher zum Teil in Ammoniak übergeht 
und sich in den sogenannten Gaswässern wiederfindet. 
Nachdem nun seit dem letzten Vierteljahrhundert unsere Eisenindustrie und die 
damit eng verbundene Koksfabrikation infolge der Anwendung des basischen 
Thomasverfahrens einen geradezu beispiellosen Aufschwung genommen haben, 
so ist auch die Ammoniakgewinnung immer mehr und mehr gestiegen. 
Weitere Quellen für die Ammoniakgewinnung sind die Leuchtgasfabrikation, welche 
namentlich in England eine große Rolle spielt, die trockene Des2tillation von bituminösem 
Schiefer, Schweelkohle und Torf und die Verarbeitung von Kalkstickstoff. 
Die hHeutige Weltproduktion von schwefelsaurem Ammoniak beträgt 1,5 Mill. Ton- 
nen; Oeutschland ist daran mit 490 000 Tonnen beteiligt. 
Ourch diesen Weltverbrauch von Ammonsulfat werden dem Erdboden 270000 Tonmen, 
durch den Weltverbrauch an Chilesalpeter (2,4 Mill. Tonnen) 275000 Tonnen Stickstoff 
zuge führt. 
Ein neues Verfahren der Ammoniakgewinnung aus dem Luftstickstoff und Wasserstoff 
mit Zuhilfenahme von Kontaktsubstanzen, bei einer LKemperatur von 500° und einem 
Druck von 200 Atmosphären (nach Haber) wird in der badischen Anilin- und Soda- 
Fabrik in größtem Maßstabe ausgeführt werden. 
Leider geht das meiste Ammoniak heute noch immer durch Verbrennung unserer Kohlen 
in die Luft. Bei dem heutigen Jahresverbrauch von etwa 1000 Mill. Tonnen Stein- 
kohlen (in Deutschland 156 Mill. Tonnen) 100 Mill. Tonnen Braunkohlen und 10 Mill. 
Tonnen Torf sind dieses aber sehr beträchtliche Meingen Ammoniak. 
  
Ammoniakgewinnung. 
  
Fortschritte in der Herstellung Ganz besonders große Fortschritte hat diechemi- 
gasförmiger Produkte. sche Industrie in dem letzten Bierteljahrhundert 
bei der Herstellung von gasförmigen Pro- 
dukten gemacht, welche teils wegen ihrer phpsikalischen Beschaffenheit, wie der Wasser- 
stoff wegen seines geringen spezifischen Gewichtes (0,07 gegen Luft = 1, teils wegen 
ihrer chemischen Eigenschaften in der Technik immer größere Anwendung finden. 
Uber die Gase Chlor und Ammoniak wurde schon oben gesprochen; die Herstellung von 
flüssiger Luft durch Linde und andere ist ein rein phosikalischer Borgang und hat für die 
chemische Industrie insofern großen Wert, als man auf diese Weise möglichst reinen 
Sauerstoff (flüssige Luft) und möglichst reinen Stickstoff in großem Maßstabe er- 
halten kann. Auf chemischem Wege wird Sauerstoff neben Wasserstoff durch Elektro- 
lyse des Wassers technisch gewonnen. 
  
  
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