VI. Buch. Wirtschafte-, Sozial- und Finanzpolitik. 15
zahlbaren Depositen ohne immer entsprechend große liquide Deckungen, ihre Konkurrenz im
Depositengeschäft mit Genossenschaften und teilweise selbst mit Sparkassen und ihre ganze
Stellung in Geldmarkt und Volkswirtschaft wohl Gedanken an gesetzliche Regulierung,
wenigstens einiger Punkte ihres Geschäftsbetriebes, mehrfach näher gelegt haben. Aber ab-
gesehen von der Erlangung von mehr Publizität in ihren Bilanzen ist noch nichts Bezüg-
liches erreicht. Hier und auch im Genossenschafts- und vor allem im Sparkassenwesen werden
wohl über kurz oder lang besonders für die Frage der Deckungen der großen, namentlich
der stets und kurz fälligen Verbindlichkeiten, Aufgaben an die Gesetzgebung herantreten.
#Auch für den Börsenverkehr, die gesamte Emissionstätigkeit auf dem Gebiet des Aktien-
wesens und der öffentlichen und Gesellschaftsobligationen, damit dann auch für einzelne
Punkte des Notenbankwesens und speziell der Verfassung der Reichsbank möchten sich
solche Aufgaben zeigen. Da hat die letzte Geschichtsperiode seit 1888 mit der Gesetzgebung
über das Hppothekenbankwesen und die Pfandbriefemission einen erfreulichen, notwen-
digen Fortschritt auch wieder von der Partikular- zur Reichsgesetzgebung gemacht. Aber
auch die anderen Zweige des Bankwesens neben den Noten- und Hypothekenbanken
bieten noch Probleme gesetzlicher Regelung einiger Punkte wohl sicher für die Zukunft.
Auf dem verwandten Gebiete des Versicherungswesens ist eine reichsgesetzliche Regelung
ebenfalls in wünschenswerter Weise gelungen. Das Kartellproblem steht jedoch noch
ungelöst da. Einstweilen hört man nur selbst aus den regierenden Kreisen das einst ver-
pönte Wort einzelner Theoretiker: wenn überhaupt „Monopole“, dann lieber Staats- als
Privat- und Aktien-Gesellschafts-Monopole.
Das ist dann zugleich wieder eine Frage, die neben der Volkswirt-
schaft und Sozialpolitik auch die Finanzpolitik des Reichs und
Preußens berührt. Uber die Finanz- und besonders die Steuer- und Staatsschulden-
politik des Reichs und Preußens seit 1888 sollen hier jetzt zur Ergänzung des schon im
Vorausgehenden Berührten nur noch wenige Bemerkungen hinzugefügt werden.
Im Deutschen Reiche wurde mit Recht an der besonders seit 1879 durchgeführten
Politik, den Schwerpunkt der Reichseinnahmen in die Einfuhrzölle, die inneren Ver-
brauchssteuern und Verkehrssteuern zu legen, festgehalten. Durch die steigende Ergiebig-
keit der Agrarzölle und einiger der inneren Steuern ist das Finanzwesen des Reiches
in erfolgreicher Weise gestärkt und seit wesentlicher Beseitigung des Uberweisungs-
spftems das Reich auch in dieser Hinsicht selbständiger geworden. Aber ausreichend ist
das noch nicht erreicht. Die betreffs der Branntweinsteuer endlich wenigstens gelungene
Unifikation für ganz Deutschland durch Ausdehnung der Gesetzgebung auf Süddeutschland
ist bei der Biersteuer nicht erfolgt. Wenigstens aber hat die neueste Erhöhung der Bier-
steuer die anormale Niedrigkeit der Reichsbiersteuereinnahmen im Reichssteuergebiete
beseitigt und Nord- und Süddeutschland in dieser Hinsicht mehr gleichgestellt. Durch
Erhöhung der Branntwein- und Biersteuern ist der Ertrag im Reiche auch aus dem Miß-
verhältnis zum Ertrag in anderen vergleichbaren Staaten Europas mehr herausgetreten.
Aber das dritte alkoholische Getränk, der Wein, ist trotz wiederholter Versuche, abgesehen
vom Schaumwein, der Belegung mit einer inneren Reichssteuer nicht unterzogen worden.
Steuerpolitik.
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