Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
VI. Buch. Textilindustrie. 161 
Bandweberei, die sich als Hausweberei noch im großen Umfange erhalten hat. Der 
Grund hierfür ist hauptsächlich darin zu suchen, daß der Bandstuhl ohne erhebliche 
Umänderungen für mechanischen Antrieb geeignet gemacht werden kann, und die 
elektrische Kraft beguem und billig in kleinen Mengen zu haben ist. Mit welchem 
Erfolge die mechanischen Seidenwebstühle die heute hauptsächlich von den Firmen 
Felix Donnar in Dülken und Hermann Schroers in Crefeld bezogen werden, verbessert 
worden sind, ergibt sich daraus, daß sie heute mit 1650—220 Schüssen in der Minute arbeiten, 
wärend es vor 10—15 JZahren nur 90—110 waren. Außerdem webt man auf einem Stuhl 
2—3 Daren nebeneinander, so daß ein Weber, der bei Stapelwaren 2 Stühle bedient, gleich- 
zeitig 4—6 Waren herstellt. In der Samtweberei geht die Massenerzeugung sogar noch 
weiter. Es werden nicht allein 3—5 Waren nebeneinander, sondern 2 Warenläufe 
übereinander, also 6—10 Warenbahnen gleichzeitig gewebt. Die Herstellung von 
2 Warenläufen übereinander ist dadurch erreicht, daß die Grundgewebe getrennt über- 
einandergewebt und durch den Flor verbunden werden, der in der Mitte zerschnitten 
wird. Die Riesenleistung eines solchen Doppelsamtstuhls ist neuerdings noch dadurch 
vermehrt worden, daß zwei Schützen übereinanderlaufen, während bisher beide Waren- 
läufe nur mit einem Schützen verarbeitet wurden. Sehr zu Autzen kamen der Seiden- 
weberei die Erfolge, die mit der Einführung des elektrischen Einzelantriebs erzielt 
wurden. Denn dieser Antrieb bietet hier besondere Vorteile. Nachdem die Versuche 
in den Zahren 1893 und 1894 mit Gleichstrommotoren gescheitert waren, sind sie 
später mit Drehstrommotoren und Kurzschlußanker von Erfolg gewesen, namentlich 
als man die Kraftübertragung vom Motor auf den Stuhl den eigenartigen Betriebs- 
verhältnissen anpaßte. 
Bei der Wirkerei und Strickerei gingen die Be- 
strebungen dahin, den mechanischen Betrieb in grö- 
ßerem Umfange einzuführen und die Maschinen- und Arbeitsmethoden so zu vervoll- 
kommnen, daß die Gebrauchsgegenstände möglichst ohne Nähte von der Maschine 
kommen. In dieser Beziehung ist geradezu Hervorragendes von sächsischen und süd- 
deutschen Firmen, namentlich in der Strumpffabrikation, geleistet worden. Die Rund- 
striczmaschinen arbeiten heute den fertigen Strumpf vom Rand bis zur Spitze ohne 
Nahtu d unter Berücksichtigung aller Forderungen an Anderung der Strickart und 
Form. Zur vielseitigeren Musterung wurde die Links- und Linksmaschine erfunden 
und die Zacquardmaschine auf Wirk- und Strickmaschinen übertragen. 
Wirkerei und Strickerei. 
  
Flechterei. Die Entwickelung der modernen Flechterei ist fast ausschließ- 
— lich deutschen Erfindern zu danken. Das Wuppertal ist der hbaupt- 
sächlichste Sitz dieser Industrie, und dort sind alle bahnbrechenden Erfindungen für sie 
entstanden. In die 80er Zahre fällt die allgemeine Einführung der 4-, 3 und 2fädigen 
Maschinen, die schließlich ihre Krönung in der 1 fädigen Maschine fanden. Dank der 
Verwendung der Jacquardmaschine, die nicht allein für die Steuerung der Klöppel, 
sondern auch zur Betätigung aller übrigen Elemente der Maschine nach und nach nutz- 
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