Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
162 Textilindustrie. VI. Buch. 
  
bar gemacht wurde, wurde die Musterung freier und eine vollständige Imitation der 
bandgeklöppelten Spitze erreicht. 
Bobbinetfabrikation. Der rastlosen Tätigkeit sächsischer Firmen ist die Ein- 
führung der Bobbinetfabrikation in Oeutschland 
zu verdanken. Nach vielen langwierigen und kostspieligen Versuchen ist nicht allein die 
Fabrikation der glatten und später der gemusterten Tülle, sondern auch der Gardinen 
und Spitzen gelungen. In letzterer Beziehung sind wir zwar noch von dem Ursprungs- 
lande dieser Fabrikation England abhängig, aber deutsche Konstrukteure sind unablässig 
daran tätig, diese Industrie auf eigene Füße zu stellen. 
  
Sticerei. Auch auf dem Gebiete der mechanichen Stickerei sind große Fortschritte 
— zu verzeichnen. Es sei hingewiesen auf die Einfädelmaschine für die 
Heilmannsche Stickmaschine, auf die automatische Schiffchenstickmaschine, auf die Ver- 
besserungen des #tzverfahrens bei der Erzeugung der Spachtel- und Luftspitzen usw., 
auf die Verwendung des Panthographen an der in eine Stickmaschine verwandelten 
Nähmaschine zur Herstellung von Buchstaben, Monogrammen und Namen, und auf die 
Kurbelstickmaschine, die sich für das Besticken von Kleidungsstücken, Möbel- und Vor- 
hangsstoffen usw. sehr eingebürgert hat. Auf allen diesen Gebieten sind deutsche Erfinder 
erfolgreich tätig gewesen. 
Zukunft der deutschen Textilindustrie. Zum Schlusse seien noch einige kurze 
Betrachtungen der Zukunft der 
deutschen Textilindustrie gewidmet. Die Ausfuhr auf diesem Gebiete betrug im Jahre 
1910 1250 Millionen, die Einfuhr 1840 Millionen. Wir zahlen also an das Ausland 590 
Millionen mehr, als wir von ihm einnehmen. Diese Zahl braucht nicht Schrecken zu er- 
regen, denn die Textilindustrie ruft viele Gegenwerte hervor, die dem Inlande zugute 
kommen und den Verlust reichlich einbringen. Immerhin muß man bestrebt sein, die Dif- 
ferenz zu verringern oder sogar zu beseitigen. Ob und inwieweit dies durch Steigerung der 
Ausfuhr möglich sein wird, ist nicht vorauszusagen. Es ist schon früher auf die ungünsti- 
gen geographischen Verhältnisse Deutschlands gegenüber seinen bevorzugten Konkurren- 
ten England und Amerika hingewiesen worden. Es fragt sich, ob es den Fabrikanten 
und Kaufleuten trotz der Zollschranken, die sich überall erheben, gelingt, durch Lieferung 
besserer Qualitäten und durch billigere Preise mehr Boden zu gewinnen. Wohl aber 
ist es nicht ausgeschlossen, die Einfuhr zu verringern. Sie betrug im Zahre 1910 für 
Rohmaterial 1436 Millionen, für Garne 234 Millionen und für Stoffe 150 Millionen. 
Zunächst müssen alle Kräfte daran gesetzt werden, die Summe zu verkleinern, die durch 
den Bezug im Inlande nicht erzeugter, aber verbrauchter Stoffe und Garne verloren 
geht. Maschinenbauer und Fabrikant müssen Hand in Hand arbeiten, um Maschinen 
und Arbeitsverfahren so zu vervollkommnen, daß alle Qualitäten, auch die feinsten, 
im Inlande hergestellt werden können. Auffälig ist, daß die Fabrikation der Florett- 
seide in Deutschland noch nicht in größerem Umfange ausgenommen worden ist, trotz- 
  
610
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.