Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
VI. Buch Steine und Erden. 179 
  
Iber auch sie schon werden dartun, auf wie interessante Weise diese wichtige Frage 
gelöst worden ist. Von einem deutschen Erfinder Sievert aus Dresden, der eigentlich 
Kaufmann war und trotzdem auf dem Gebiete des Glashüttenwesens Hervorragendes 
geleistet hat, stammt die folgende Arbeitsweise zur Erzeugung von Fensterglas. Auf 
einer ebenen, kreisförmigen Platte wird flüssige Glasmasse tafelförmig ausgebreitet, 
dann von einem ringsumgelegten runden Nahmen festgehalten und dadurch etwas auf- 
geblasen, daß man durch eine oder mehrere Offnungen in der Platte von unten Preßluft 
zuführt. Das Glas wölbt sich auf. Es wird, indem man gleich beim Beginn scharf anbläst, 
im Scheitel etwas dünner gehalten als unten. Nun dreht man Platte und Rahmen 
um 180 Grad nach unten, so daß der Glaskörper nach unten hängt und setzt das Blasen 
fort, wobei durch passende Anwärmvorrichtungen die Glasmasse weich gehalten wird. 
Dadurch verteilt sich die Glasmasse in den Wandungen gleichmäßig, und es entsteht ein 
langer Zolinder ganz wie bei der gewöhnlichen Fabrikation von Fensterglas, der später 
aufgesprengt, geebnet und gekühlt wird. 
Es ist ganz kllar, daß man nach demselben Verfahren auch anders geformte Glas- 
körper erhalten kann, z. B. Bechergläser und zwar in Massenfabrikation. Bläst man 
nämlich die Glaszmasse in eine Form hinein, welche viele Formhöhlungen nach der Ge- 
stalt der Bechergläser enthält, dann bildet sich gleich eine große Anzahl von Becher- 
gläsern, die vorläufig noch alle unten miteinander zusammenhängen. Setzt man die 
gekühlten Massenkörper auf eine Schleifmaschine, dann schleift diese gleichzeitig alle 
Verbindungsstellen fort, und man erhält zuletzt die gesamten Bechergläser voneinander 
getrennt und an ihrem oberen Rande abgeschliffen. 
Andere Glasblasemaschinen beruhen auf dem Prinzip, die GElasmasse in eine 
Vorform zu bringen, sie in ihr durch Pressen oder Blasen oder durch Pressen und 
Blasen vorzuformen und dann in eine Fertigform überzuführen, in der der Glas- 
körper seine endgültige Gestalt erhält. Das flüssige Glas wird aus dem Ofen in 
die Form gesaugt. Oie Maschinen arbeiten also völlig selbständig und geben den 
fertigen Gegenstand ab, der durch maschinelle Transportvorrichtungen in den Kühl- 
ofen befördert wird. Mit den Glasblasemaschinen lassen sich aber vorläufig nur die 
einfacheren Arten von Hohlkörpern darstellen. Denn das Glas ist eine subtile Masse, 
die sorgfältig behandelt sein will. Wer einmal einen Glaszmaacher beobachtet hat, wie 
er sorgsam das aufgeblasene Glaskölbchen (Külbel) überwacht, es dreht und wieder 
anwärmt, der wird ohne weiteres die Schwierigkeiten begreifen, die das maschinelle 
Glasblasen zu überwinden hat. Das zu verarbeitende Glas muß einen gewissen Grad 
von Flüssigkeit besitzen, keinen zu geringen, damit es noch bildsam ist, keinen zu hohen, 
damit es nach dem Verlassen der Maschine genügend abgekühlt und starr ist, um seine 
Form zu behalten. Da das maschinelle Glasblasen schneller beendet ist als das Blasen 
mit Handbetrieb, bedarf es ein weniger heißes Glas als letzteres. Die Abkühlung des 
Glases während der Arbeit ist wesentlich abhängig von der Temperatur der Formen. 
Letztere ist daher sorgsam zu beobachten. Man wird die Formen vor Beginn des Be- 
triebes anwärmen und während des Betriebes kräftig kühlen. Denn das Anwärmen 
oder Kühlen der unfertigen Werkstücke, für welche der Handbetrieb so einfache Mittel 
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