Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
184 . Die Nahrungsmittelindustrie. VI. Buch. 
  
In dem Nahrungsmittelgesetz vom Jahre 1879 war vorgesehen, daß ein weiterer Aus- 
bau der Nahrungsmittelgesetzgebung durch den Erlaß Kaiserlicher BVerordnungen erfolgen 
solle. Von dem Erlaß solcher Verordnungen ist indessen nur in einigen wenigen Fällen 
Gebrauch gemacht worden. VBielmehr erschien es bald zweckmäßiger, einzelne wirtschaft- 
lich oder gesundheitlich besonders wichtige Teile des Nahrungemittelverkehrs durch be- 
sondere Reichsgesetze zu regeln, und die Ausführung der Bestimmungen dieser Gesetze 
nach näherer Anweisung des Bundesrates vornehmen zu lassen. So brachte das Jahr 
1887 3 neue Reichsgesetze, die auf die überwachung des Verkehrs mit Nahrungsmitteln, 
Genußmitteln und Gebrauchsgegenstände, soweit diese letzteren dem Nahrungemittel- 
gesetz unterliegen, Bezug hatten, nämlich das im Zahre 1897 wieder aufgehobene Gesetz 
betreffend den Verkehr mit Ersatzmitteln für Butter vom 12. Juli 1887, das Gesetz 
betreffend den Verkehr mit blei- und zinkhaltigen Gegenständen vom 25. Juni 1887 und 
das Gesetz betreffend die Verwendung gesundheitsschädlicher Farben bei der Herstellung 
von Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen vom S. Juli 1887. 
Es folgte dann im Jahre 1892 das erste Gesetz betreffend den Verkehr mit Wein, 
weinhaltigen und weinähnlichen Getränken, das bis zum Jahre 1901 in Geltung blieb 
und durch das unter dem 24. Mai 1901 erlassene Gesetz betreffend den Verkehr mit Wein, 
weinhaltigen und weinähnlichen Getränken abgelöst wurde. Aber auch dieses Gesetz 
blieb nur einige Fahre in Kraft und wurde durch das heute noch geltende Weingesetz vom 
7. April 1909 ersetzt. 
Inzwischen war unter dem 15. Juni 1897 das Gesetz betreffend den Verkehr mit 
Butter, Käse, Schmalz und deren Ersatzstoffen ergangen, durch welches das bereits 
erwähnte Reichsgesetz vom 12. Zuli 1887 aufgehoben wurde. Ferner erging unter dem 
6. Zuli 1898 das Gesetz betreffend den Verkehr mit künstlichen Süßstoffen, das aber 
schon nach 5 Jahren durch das Süßstoffgesetz vom 7. Juli 1902 ersetzt wurde. 
Von sehr weittragender Bedeutung war endlich das unter dem 3. Juni 1900 er- 
lassene Gesetz betreffend die Schlachtvieh- und Fleischbeschau, das auch gegen- 
wärtig noch in Geltung ist. 
Die Nahrungsmittelgesetzgebung ist also seit dem Ende der 80er Zahre des vorigen 
Zahrhunderts in ständigem Fluß gewesen, und die wiederholt notwendig gewordene 
Anderung bereits früher erlassener Gesetze läßt deutlich erkennen, wie schwierig es 
war, die hier in Frage stehenden Berhältnisse in einheitlicher gesetzlicher Weise zu 
regeln. 
Der Grundgedanke von dem aus seinerzeit das Nahrungemittelgesetz erlassen wurde, 
war die Gesundheit der Bevölkerung vor den Schädigungen zu bewahren, die ihr 
durch das gewerbsmäßige Herstellen und ZInverkehrbringen gesundheitsschädlicher 
Nahrungs-- oder Genußmittel, sowie auch gewisser Gebrauchsgegenstände, drohen 
konnten. Oieser Gedanke kam ganz besonders auch zum Ausdruck beim Erlaß des Blei- 
und Zinkgesetzes vom Jahre 1887, des Farbengesetzes von demselben Zahre, sowie vor 
allem im Schlachtvieh- und Fleischbeschaugesetz, nach dessen Bestimmungen die Uber- 
wachung schon vor dem Schlachten der Tiere einsetzen und auch bei dem Inverkehrbringen 
des geschlachteten Fleisches durchgeführt werden sollte. 
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