Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
18 Wirtschafte-, Sozlal- und Finanzpoliti. VI. Buch. 
  
für das System von Zuschlägen für die Gemeinden einigermaßen brauchbar. Indem 
gleichzeitig die mehr als ein halbes Zahrhundert alte und ganz veraltete Gewerbesteuer 
durchgreifend umgestaltet wurde, ist ein weiterer Fortschritt erzielt wordem. Alls dann diese 
Steuerreformen es möglich machten, auch dem Problem der Kommunalbesteuerung näher 
zu treten, wurde durch Überlassung fast des ganzen Ertrags der staatlichen Ertragsbesteue- 
rung an die Gemeinden auch für diese eine zwar noch nicht ausreichende, aber doch bedeut- 
same Erleichterung und Verbesserung ihrer ganzen Finanz- und Steuerverhältnisse in die 
richtigen Wege geleitet. Die Ausdehnung der Einkommensteuerpflicht von bloß phypsischen 
Personen auf gewisse wichtige quasi juristische Personen des Privatrechts, vor allem auf die 
Aktien-Gesellschaft, in neuester Zeit auch auf die G. m. b. H., war zwar eine Maßregel, die 
nicht ganz von prinzipiellen und praktischen Gegenbedenken frei ist, aber doch auch richtige 
Gründe, namentlich nicht ganz unberechtigter fiskalischer Art und bedeutende fiskalische Er- 
folge für sich hat. Diese Reformen und ihre teilweise Fortführung über die Miquelschen 
binaus haben noch keinen ganz befriedigenden Zustand, am wenigsten auf dem Gebiet der 
Kommunalbesteuerung, herbeigeführt; und auch in der staatlichen Einkommen- und Ver- 
mögensbesteuerung ist das Verfahren, die Gestaltung der Steuerfüße, noch mannigfach 
mangelhaft. Die Progression der Einkommensteuer ist z. B. seit dem Miquelschen Gesetz 
1891, besser als bis dahin und etwas weiter hinauf, von 3 auf 4%, hinaufgeführt, was aber 
noch nicht ausreicht. Dagegen ist die Vermögenssteuer noch ganz ohne Progression, ohne 
notwendige Unterscheidung der Vermögensarten, im Steuerfuß und in den Veran- 
lagungsgrundsätzen. Zndessen kann man auf dem nunmehr gebahnten Wege ja leichter 
passend weiterschreiten. Der große Fortschritt gegen die Zeit vor 1890 ist unvereinbar. 
Es muß eben auch hier der Zusammenhang zwischen volkswirtschaftlicher Entwicke- 
lung und Verteilung von Volkseinkommen und Vermögen, Gestaltung der Produktion 
und der privaten Erwerbsverhältnisse berücksichtigt werden. So der Zusammenhang der 
Einkommenverteilung mit der ganzen Entwickelung der Technik, Okonomik, Betriebs- 
größen, Höhe der Einzel-Einkommen und Vermögen in der modernen Volkswirtschaft 
des Industrie- und Exportstaates und mit der der gesamten privatkapitalistischen Organi- 
sation der Volkswirtschaft, mit der Entwickelung des beweglichen Kapitals, der Kredit- 
formen, des Wertpapierwesens, mit der spekulativen Ausbeutung der Konjunkturen 
(Grundstückspekulation#), mit dem Einkommen- und Vermögenszuwachs bloß infolge des 
steigenden Konjunkturenwerts, vor allem gewisser Hauptarten des Grundeigentums (na- 
mentlich großstädtischen, aber auch des bergwerklichen, des mit industriellen Unternehmungen 
verbundenen), mit dem Umstand, daß zahlreiche Privateinkommen und Vermögen die 
Form des Wertpapierbesitzes und der Renten daraus annehmen, eine Form, in der sie 
durch indirekte Verbrauchssteuern allein und selbst durch Verkehrssteuern nicht ausreichend 
getroffen werden. Alle diese Verhältnisse machen die feinere Ausbildung der direkten 
Personalbesteuerung immer zwingender, weil nur durch diese die höheren Mittelklassen 
und vollends die reicheren Kreise von der Besteuerung einigermaßen genügend erfaßt 
werden können. Das führt auch zur allgemeineren Rechtfertigung der Forderung di- 
rekter Personalbesteuerung in der Form von Einkommen-, Vermögens- und Erbschafts- 
steuern mit stärker progressiven Steuerfüßen und mit höheren Steuersätzen für das 
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