Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
196 Die Nahrungemittelindustrie. VI. Buch. 
  
wo dies nicht möglich ist, Flußläufen oder Seen entnehmen und nach Bedarf einer Rei- 
nigung vor dem Gebrauch unterwerfen, wird für das Wasserbedürfnis der Bevölkerung 
heute in ganz anderer Weise gesorgt, als dies noch vor 25 Jahren der Fall war. Allerdings 
haben diese Wasseranlagen dort, wo sie neu angelegt werden oder vergrößert werden 
mußten, den Gemeinden zum Teil sehr erhebliche Opfer auferlegt. Ebenso erwachsen 
auch durch die notwendige ständige ÜUberwachung dieser Anlagen, die durch Sachverstän- 
dige geschehen muß, dauernd große Kosten. Aber diese werden aufgewogen durch die 
Sicherung des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, die durch die heutige Art der 
Wasserversorgung und durch die Beseitigung der Abwässer erreicht wird. Wenn auch 
immer noch Schwierigkeiten vornehmlich dadurch entstehen, daß es nicht immer leicht ist, 
einen Ausgleich zwischen den berechtigten Wünschen der Industrie wegen Beseitigung 
ihrer Abwässer, und den nicht minder berechtigten Wünschen der Bevölkerung wegen 
tunlichster Reinhaltung der Flußläufe zu finden, so haben sich doch die Verhältnisse in 
dieser Hinsicht im Laufe der letzten Jahrzehnte ganz wesentlich gebessert. Es kommen dabei 
übrigens außer den Bedürfnissen für die Beschaffung eines geeigneten und gesunden 
Trink- und Gebrauchswassers für häusliche Zwecke auch noch die Rücksichten auf die 
Fischerei, die Landwirtschaft und diejenigen Gewerbe mit in Betracht, die wie die Braue- 
reien darauf angewiesen sind, daß ihnen ein reines und einwandfreies Wasser zur Ver- 
fügung steht. Wenn auf allen diesen Gebieten die Verhältnisse sich gegen früher wesent- 
lich verbessert haben, so ist dies vornehmlich auf die Fortschritte der Gesundheitslehre 
in den letzten 25 Zahren, insonderheit auch der Bakteriologie, sowie darauf zurückzu- 
fübren, daß die Ingenieurwissenschaft es in jenem Zeitraum verstanden hat, sich diesen 
neuen Bedürfnissen anzupassen und auch in technischer Hinsicht Anlagen zu schaffen, die 
den angestrebten Zweck: Lieferung eines reinen und gesunden Wassers in ausreichender 
Menge in der erforderlichen Weise erreichen lassen. 
Durch die Lieferung von Trink- und Gebrauchswasser sind aber die Bedürfnisse 
der Bevölkerung nach dieser Richtung noch nicht gedeckt. Neben der Forderung nach einem 
guten Leitungswasser ist immer mehr das Bedürfnis nach erfrischenden, insonderheit auch 
kohlensäurehaltigen Tafelwässern ober Mineralwässern hervorgetreten. 
Es ist bekannt, daß Deutschland von jeher über einen großen Schatz natürlicher Mi- 
neralwässer verfügt hat. Zum Teil kommt diesen Wässern eine bestimmte Heilwirkung 
zu und sie haben daher als Heilquellen zum Trinken, Baden oder zu sonstiger Verwendung 
für Heilzwecke eine gewisse Bedeutung erlangt. 
Aeben diesen Heilquellen finden sich aber auch zahlreiche Quellen, die sich zwar nicht 
durch eine bestimmte Heilwirkung auszeichnen, die aber doch deshalb eine große gesund- 
heitliche und wirtschaftliche Bedeutung besitzen, weil sie ihrer Keinheit wegen, oder wegen 
ihres Gehaltes an bestimmten erfrischend schmeckenden Stoffen, vornehmlich Kohlen- 
säure, als Erfrischungsgetränk ausgedehnte Verwendung finden. Oft fällt es auch schwer, 
zu entscheiden, ob ein natürliches Wasser den Heilquellen oder vielmehr den Tafel- 
wässern zuzurechnen ist, weil hier Ubergänge stattfinden. Fedenfalls ist der Verbrauch 
dieser Wässer in ständiger Zunahme begriffen. Dies mag in erster Linie wohl durch die 
sich immer weiter ausdehnende Mäßigkeitsbewegung bedingt sein. Daneben hat aber 
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