Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
VI. Buch. Die Nahrungsmittelindustrie. 107 
  
auch der in den letzten Zahrzehnten zweifellos gestiegene allgemeine Wohlstand hieran 
einen gewissen Anteil, insofern man immer mehr dazu übergeht, für den täglichen 
Trinkgebrauch neben dem Leitungswasser ein erfrischender schmeckendes, wenn auch 
teureres Tafelwasser zur Verfügung zu halten. Außerdem hat sich aber auch die Tech- 
nik der Gewinnung, Aufbewahrung und Versendung dieser Tafelwässer in den letzten 
Zahrzehnten in erbeblichem Maße weiter entwickelt. Denn nicht jedes natürliche Wasser 
ist ohne weiteres, so wie es aus der Erde entquillt, zur Verwendung als Tafelwasser geeig- 
net. Bielmehr muß es häufig erst nach seiner Gewinnung einer Behandlung unter- 
worfen werden, die darauf abzielt, das Wasser für die Aufbewahrung und den Versand 
baltbar zu machen und namentlich zu verhindern, daß das Wasser nach gewisser Zeit 
durch Trübung oder durch Abscheidung fester Niederschläge unansehnlich und daher für 
den Gebrauch als feines Tafelwasser unverwendbar wird. Hierbei kommt vor allem ein 
etwaiger natürlicher Eisengehalt in Frage, der beim Aufbewahren des Wassers sich all- 
mählich abscheiden und dadurch das Wasser trüben kann. Haher entzieht man solchen 
Wässern vor ihrer weiteren Verarbeitung zunächst das Eisen, auch wohl, wenn es vor- 
handen ist, das Mangan und führt dem Wasser, wenn es bei der Enteisen#ung einen Teil 
seiner natürlichen Kohlensäure verloren hat, Kohlensäure in gewisser Menge wieder zu. 
Schluß. Die Aufgabe der einheimischen Nahrungemittelindustrie ist es in erster 
— Linie, dafür zu sorgen, daß der inländische Markt mit den für die Er- 
nährung der Bevölkerung erforderlichen Mengen von Nahrungemitteln versorgt wird. 
ODaneben ist es aber auch für das Gedeihen und die Weiterentwicklung der Industrie 
von größter Bedeutung, daß ihr die Möglichkeit der Beteiligung am Welthandel 
of-fen gehalten wird. Tatsächlich findet ja auch andauernd eine beträchtliche Ausfuhr 
deutscher Nahrungemittel in das Ausland statt, sei es, daß es sich dabei um besondere 
einheimische Erzeugnisse, wie Zucker, Wein, Bier usw., handelt, sei es, daß die deutsche 
Industrie teilweise ober ganz ausländische Kohstoffe verarbeitet und diese in genuß- 
fertigem Zustande wieder ausführt, wie dies beispielsweise bei der Schokoladenindustrie 
der Fall ist. Da die Nahrungsmittelindustrie zum Teil ausländische Rohstoffe verarbeiten 
muß, andererseits aber fertige Erzeugnisse ausführt, so ist sie in doppelter Weise auch 
von der Lage des Weltmarktes abhängig. ODazu kommt bei der Ausfuhr noch 
ein anderer Umstand mit in Betracht. Wie die deutschen Nahrungsmittelgesetze ver- 
langen, daß alle, auch die aus dem Auslande stammenden Nahrungsmittel den Anforde- 
rungen der deutschen Nahrungemittelgesetzgebung genügen, so verlangt auch das #us- 
land, daß die dort eingeführten Lebensmittel den dortigen gesetzlichen Anforderungen 
entsprechen. Soweit gesundheitliche Rücksichten in Frage kommen, besteht eine sehr 
weitgehende Ubereinstimmung zwischen den Nahrungsmittelgesetzen der verschiedenen 
Kulturstaaten. Insofern aber wirtschaftliche Kücksichten für die Gestaltung der Gesetze 
maßgebend gewesen sind, können sich im Auslande Abweichungen von den deutschen 
Gesetzen ergeben. Die an der Ausfuhr sich beteiligende Nahrungsmittelindustrie muß 
sich daher darum kümmern, die ausländischen Gesetze zu kennen und sich ihnen anzu- 
passen. 
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