232 Die Gesamtentwicklung der deutschen Industrie. VI. Buch.
kämmen hinzu“; 1856 wurde zu diesem Zwecke eine neue Tochterfirma auch in Deutsch-
land organisiert: die Harburger Gummi-Kamm-Compagnie, die sich in den 60er Jahren
vollständig von den alten Rohr- und sonstigen, nicht Kautschuk verarbeitenden Werken
loslöste. Auch bei diesem Hause trat in den 90er Jahren der neue, große Aufschwung
ein; im Jahre 1895 überschritt die Arbeiterzahl der Hamburger Firma das erste Tausend.
In ihrem (schon einige Zahre zurückliegenden) Bericht gibt sie die tägliche Produktions-
menge an Kämmen auf etwa 30 000 an. Neben der Kammabteilung besteht eine Ab-
teilung für Schmuck aus Hartkautschuk, die heute als solche aber fast nur noch für den
Export arbeitet, jedoch durch die Herstellung von Pfeifenspitzen, deren täglich 70 000
bie 80 000 Stück angefertigt werden, neue Aufgaben erhalten hat. Darüber hinaus ist
die Zahl der Gebrauchsgegenstände, die hier hergestellt werden, außerordentlich groß.
Eine dritte Abteilung produziert technische #Artikel, Statuen, Ornamente und „Kunst-
produkte“ allerart aus Hartkautschuk. Besonders die wichtige Herstellung von Isola-
toren als Folge des Aufblühens der Elektroindustrie gehört hierher.
Andere Firmen, z. B. die deutsche Gummi- und Guttapercha-Waren-Fabrik A. G.
vormals Volpi & Schlüter in Berlin, datieren gleichfalls ihren Aufschwung von dem
Anfang der 90er Zahre. Auch bei ihr ist es die Aufnahme neuer Fabrikate, hier besonders
die der Gummischuhe, die zu einer beträchtlichen Erweiterung des Unternehmens führte.
Ooch unsere Aufmerksamkeit mag sich zum Schlusse auf die berühmteste Firma
dieses Industriezweiges, die „Continental-Caoutchouc- und Guttapercha-Co.“ in Hannover
richten, die im Zahre 1872 als gleichfalls verhältnismäßig kleines Unternehmen ins Leben
trat. Damals war ihr täglicher Kohlenverbrauch etwa eine Doppelladung (zu 10000 kg),
Ende 1912: 6295 ¼ Doppelwaggons im Werte von 1121636,50 Mark, 1883 beschäftigte
das Werk 380, 1898: 1300, 1912: 9795 Personen. Uber 9 Millionen Mark Löhne wurden
im letzten Jahre gezahlt. Mit der genannten Arbeiterzahl verarbeitet die Firma unter
Benutzung von 25 Dampfkesseln (zu 4550 qm Heizfläche) und von 4 Turbinen zu 4900 PS.
ungefähr ½0 der gesamten Produktion von Kautschuk und ist damit „wenn nicht die größte,
jedenfalls eine der allergrößten Gummifabriken der Welt“. Nach den Angaben der Firma
betrug 1910/11 die gesamte Weltproduktion an Kautschuk aller Sorten 79305 t;
den Gesamtkonsum berechnet sie auf 74082 t und die am 30. JZuni des genannten
Zahres sichtbaren Vorräte mit 12563 t. Ihre hauptsächlichsten Fabrikationszweige
sind 1. technische Artikel für Fabrikbedarf, wie Schläuche für Wasser, Bier, Wein, Petro-
leum, Gas usw., und Spiralschläuche, ferner Treibriemen, Pumpenklappen, Dichtungs-
material, Flaschenscheiben; 2. Spielwaren (Spielbälle, Tennis-, Fußbälle); 3. gummierte
Stoffe für wasserdichte Kleidungestücke, sog. Hospitaltuch, Betteinlagen in Lazaretten
u##w., endlich für Ballons; 4. Patentplatten und Artikel daraus, wie Kindersauger, Gummi-
bänder, Handschuhe usw.; 5. pneumatische Reifen für Fahrräder, 6. pneumatische Reifen
für Automobile und Omnibusse, 7. massive Reifen für Equipagen und Omnibusse.
Doch mögen diese kurzen Skizzen aus der
Gummüündustrie genügen, um zu zeigen,
wie notwendig esist, bei einem Uberblick
Allgemeiner Charakter der deutschen
Fertigwarenindustrie.