Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
VI. Buch. Der auswärtige Handel. 247 
  
deren zwei die beteiligten Länder stellen, während der dritte (als Obmann) ein Ange- 
böriger eines befreundeten Staates ist, der von beiden Kontrahenten gewählt wird. 
Her für die Landwirtschaft in Aussicht e der dimntuen — der 
· egierung beigegebenen De war 
genommene hohere Schut. ausdrücklich zugegeben, daß bei dem Ab- 
schluß „in erster Linie das Bestreben maßgebend gewesen sei, den für die Landwirt- 
schaft in Aussicht genommenen höheren Schutz tunlichst aufrechtzuerhalten“. 
Hierdurch sei es unmöglich gemacht worden, für die gewerbliche Ausfuhr diejenigen 
Zugeständnisse zu erhalten, „auf die wir andernfalls vielleicht hätten rechnen können“. 
Das entsprach den Tatsachen. Die Vertragsstaaten hatten nicht nur die Minimalhöhe 
für Getreide akzeptiert, sondern auch die im Tarif vorgesehenen sonstigen landwirtschaft- 
lichen Zölle im wesentlichen angenommen. Diese Zugeständnisse waren aber nur gegen 
schwere Opfer erreicht worden. Die meisten der Kontrahenten (Rußland, ÖOsterreich- 
Ungarn, die Schweiz, Rumänien) hatten sich für die Verhandlungen gleichfalls mit an- 
sehnlichen Tariferhöhungen „vorbereitet“, die nun zum größten Teile von Deutschland 
hingenommen werden mußten. Oie künftige Ausfuhr von deutschen Fabrikaten und 
Halbfabrikaten in die Vertragsländer war dadurch außerordentlich erschwert, so daß der 
erhöhte Schutz der Landwirtschaft tatsächlich auf Kosten der am Export interessierten 
Zndustrie vorgenommen wurde. Man hoffte allerdings durch die gleichzeitig erfolgte 
Erhöhung der eigenen Industriezölle ein Aquivalent zu schaffen, das ausgleichend wirkte. 
Zmmerhin war mit einer Erschwerung des Derkehrs zwischen den Vertragsländern auf 
jeden Fall zu rechnen, so sehr sich im übrigen die Wirkung solcher „Rückversicherung“ 
zunächst der zuverlässigen Beurteilung entzog. 
  
  
Die neuen Verträge wurden im Reichstag sämtlich angenommen. Es stimmte auch 
ein erheblicher Teil derjenigen Abgeordneten für sie, die erbitterte Gegner des Tarifs 
gewesen waren. Es geschah dies mit der Motivierung, daß ein noch so schlechter Ver- 
tragszustand einem vertragslosen Zustand unter allen Umständen vorzuziehen sei. Die 
Verträge traten am 1. März 1906 in Kraft und gelten bis zum 31. Dezember 1917. 
Sie laufen von da ab mit einjähriger Kündigungsfrist für unbestimmte Zeit weiter. Nur 
in dem Vertrage mit Österreich-Ungarn ist mit Rücksicht auf den 1915 zu erneuernden 
Ausgleich zwischen beiden Ländern der 31. Dezember dieses Fahres als möglicher End- 
termin vorgesehen. 
Die übrigen handelspolitischen * jetzt n n — rdisuns 
ieses neuen Vertragswerkes eingetreten wird, 
Beslehungen Heutschlande. seien noch die handelspolitischen Be- 
ziehungen Deutschlands zu den übrigen Ländern kurz dargestellt. Aus Raum- 
gründen muß dabei die Beschränkung auf den gegenwärtig geltenden Zustand erfolgen. 
Weitere Tarifverträge sind seitdem zustandegekommen mit Bulgarien (1905), Por- 
tugal (1910), Schweden (1911), Japan (1911), so daß z. Zt. insgesamt mit den folgenden 
  
  
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