VI. Buch. Binnenhandel. 259
Dies gilt im allgemeinen auch von der Einteilung des Handels in Groß- und
Kleinhandel. Der Großhändler oder Grossist verabfolgt die Ware nicht an den Ver-
braucher, sondern an jemanden, der die Ware, im Urzustande oder verarbeitet, weiter-
geben will, also an den Wiederverkäufer; der Kleinhändler oder Detaillist steht auf
der letzten Station des Weges, den die Ware durchmißt, er verabfolgt diese unmittelbar
an den Verbraucher. Es bedarf keiner langen Ausführung, daß die Bezeichnungen
„Großhandel“ und „Kleinhandel“ mit dem Umfange des Umsatzes nichts zu tun haben;
die Wahl dieser Ausdrücke — sie ist nicht besonders glücklich — gründet sich lediglich darauf,
daß regelmäßig im Verkehr zwischen einem Großhändler und einem Wiederverkäufer
die Waren in größeren Abschnitten, im Verkehr zwischen Kaufmann und Verbraucher
dagegen in lleineren Portionen abgegeben werden. Schon die verschwindenden Begriffe,
die hier zur Anwendung kommen (Groß und Klein), lassen erkennen, daß zwischen Groß-
und Kleinhandel keine Gegensätze bestehen, daß sie vielmehr Schößlinge aus derselben
Wurzel sind. Der Großhandel verdankt, wie der Handel überhaupt, sein Daseinsrecht
dem Autzen der Arbeitsteilung, aber auf kaum einem Gebiete des Handels ist dieser
Gesichtspunkt zu einer so strengen Anerkennung gelangt wie eben beim Großhandel.
Er ist das Vermittlungsgewerbe in reinster Form und stützt sich einzig und allein
auf die Bedeutung, welche der Vermittlung, dem Dazwischentreten einer dritten Instanz,
im wirtschaftlichen Leben zukommt. Mögen auf anderen Gebieten des Handels Herkom-
men und Gebräuche eine Rolle spielen, also Momente von nicht reinwirtschaftlichem
Charakter, aus dem Gebiete des Großhandels gibt es keine Einflüsse, die die gerade Linie
der ökonomischen Entwicklung durchkreuzen. In dem Augenblicke, wo der Großhandel
seiner Aufgabe, den Ubergang der Ware von der Produktion zur Vertriebsstelle zu er-
leichtern, nicht genügt, hat seine Stunde geschlagen, und keine Macht der Welt vermag
sein Schicksal auch nur um eine kurze Spanne Zeit aufzuhalten; anderseits vermögen keine
Vorurteile, kein Mißwollen ihm den Herrschaftsbereich um Haaresbreite zu kürzen. Er
trägt dem Regulator in sich selber. Hier kommen die Erwägungen, welche für das Daseins-
recht des Handels überhaupt sprechen, in höchster Potenz zur Geltung.
Die Zahl der Personen, die im Großhandel tätig sind, ist naturgemäß ge-
ring gegenüber der Zahl der dem Kleinhandel angehörigen. Seine wirtschaftliche
Bedeutung ragt aber über die Kopfzahl weit hinaus. Auch in ethischer Beziehung
trifft dies zu. Der Großhandel, dessen Lebenselement die Freiheit des Verkehre ist, der
deshalb jedes Mittel künstlicher Förderung verschmäht, hat zu der Schar der Kaufleute,
die mit weitem Blick die Bedürfnisse des Lebens zu erfassen vermögen, stets ein ansehn-
liches Kontingent gestellt.
Was den Standort des Handels anbelangt, so sind die Gründe, welche für die
Wahl desselben entscheidend sind, bei Groß- und Kleinhandel nicht die gleichen. Die
Regel wird sein, daß der Großhandel sich mehr in der Nähe der Produktionsstätten an-
siedelt, also die Vorteile des Einkaufes voranstellt, während der Kleinhandel, für den
die Verkaufsseite von größerer Wichtigkeit ist, dem Sitze des Verbrauchs nahezurücken
sucht. Die fortschreitende Verbesserung der Verkehrswege mildert aber jene Verschieden-
heit; der Großhandel, der ehedem mit Vorliebe an den Außenrändern des Staates,
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