Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
28 Die deutsche Landwirtschaft. VI. Buch. 
  
sein der Geldwert der zur menschlichen Ernährung verbrauchten Kartoffeln, Gemüse, 
Obst, der zur Spiritus- und Stärkefabrikation verwendeten Kartoffeln, der der Zucker- 
fabrikation dienenden Zuckerrüben, der Erzeugung an Olfrüchten, Gespinnstpflanzen, 
der Ertrag des Weinbaues, der Geflügelzucht, des Fischfanges, der Zagd- und Forst- 
wirtschaft, für die zumeist einwandfreie Ertragsberechnungen fehlen, die aber doch 
sämtlich zur landwirtschaftlichen Produktion gehören und beträchtliche Werte dar- 
stellen. 
Der Verbrauch an Kartoffeln allein zu Speise zwecken beträgt jährlich über 
14 Millionen Tonnen — für Brennerei und Stärkefabrikation noch weitere 4 Millionen 
Tonnen. — Die Gesamternte an Kartoffeln hat im letzten Fahrfünft durchschnittlich 
44,5 Millionen Tonnen betragen. — Die Menge der verarbeiteten Zuckerrüben betrug 
durchschnittlich 15 Millionen Tonnen, die Menge des gewonnenen Rohzuckers ca. 2 Milli- 
onen Tonnen. Für Speise-, Brennerei-- und Stärkekartoffeln und Zuckerrüben zusammen 
ist daher allein schon wieder eine runde Milliarde als Gesamtertrag anzunehmen und 
so würden noch weitere Milliarden Produktionswerte sich ergeben, wenn die eben er- 
wähnten Produktionszweige sämtlich mit berücksichtigt würden. « 
Diese Zahlen gewinnen aber erst ihre volle Bedeutung, wenn man sie mit den 
Hauptwerten unserer industriellen Produktion in Vergleich stellt. 
Nach den Angaben von Steinmann-Bucher betrug im Zahre 1905 die industrielle 
Gütererzeugung Brutto 36 Milliarden Mark. Sie dürfte aber netto, d. . ohne wieder- 
holte Zählung der von jeder nachfolgenden Produktionsstufe übernommenen Werte, 
den Betrag von 14—185 Milliarden nicht überstiegen haben. Dabei ist zu beachten, 
daß unter „industrieller“ Gütererzeugung auch die gewerbliche einbegriffen ist, und daß 
ein sehr erheblicher Teil dieser industriellen und gewerblichen Gütererzeugung für die 
Landwirtschaft arbeitet. 
Also auch dem Werte der Produktion nach hat unsere Landwirtschaft noch 
immer gegenüber unserer so gewaltig gewachsenen Industrie sich als durchaus gleich- 
wertiger Faktor zu behaupten gewußt. 
Volksernähung. Die volkswirtschaftlich wichtigste Frage aber war für alle 
— Völker von jeher und bleibt für sie für alle Zukunft die Frage 
ibrer selbständigen — von fremder Zufuhr unabhängigen — Ernährung. Und in 
dieser Hinsicht kommt es weniger auf den Gesamtwert ihrer Produktionen als auf 
die den gegebenen Anbauflächen abgewonnenen Erträge an menschlichen Nahrungs- 
mitteln an. 
Was also hat in dieser Hinsicht die deutsche Landwirtschaft während der Negierungs- 
zeit Wilhelms llI. geleistet? und was kann danach von ihr auch für die Zukunft er- 
wartet werden? 
Um bierüber ein Urteil sich bilden zu können, sei zunächst eine Ubersicht der Leistungs- 
fähigkeit der wichtigsten Agrarstaaten in bezug auf die Getreide- und Kartoffelproduktion 
gegeben. Nach dem „Statistischen Fahrbuch für das Deutsche Reich“ hat die Ernte er- 
geben im JZahre 1912: 
  
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