Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
286 Bankwesen. VI. Buch. 
  
bier verknüpft sich, wie so oft, Ursache und Wirkung eng; aber man wird den deut- 
schen Banken und ihren Leitern das Zeugnis nicht versagen dürfen, daß sie mit 
zäher Beharrlichkeit diesem Ziel, Förderung der gesamten Volkswirtschaft, nachgestrebt 
haben. Mag auch Gesetzgebung und Technik einen ganz erbeblichen Anteil an dieser 
Entwicklung für sich in Anspruch nehmen, bestritten kann doch nicht werden, daß es 
schließlich kühner Kaufmannsgeist gewesen ist, der den Dingen ihren Lauf gab. Alle 
Fortschritte einer genialen Technik, alle Verbesserungen im Verkehrswesen würden 
niemals das stolze Gebäude des deutschen Wirtschaftslebens haben errichten können 
ohne diesen starken kommerziellen Geist. Und wenn an der Peripherie die Käder 
surren, die Maschinen rattern, wenn dort die Eisenbahnzüge sausen und Schiffe 
fahren — bewegt, nutzbar bewegt wird alles doch nur durch den Kaufmann, der einsam 
in seinem Kontor die Fäden spinnt, Menschen und Dinge nach seinem Winke leitet. 
Das muß immer wieder hervorgehoben werden, wenn man vom deutschen Bank- 
wesen spricht. Bielleicht hat man sich nicht immer und überall von einer etwas kurz- 
sichtigen Dividendenpolitik ferngehalten; vielleicht hat man bei der Empfehlung der 
Effekten für das anlagesuchende Publikum nicht immer mit der nötigen Vorsicht und 
Objektivität verfahren; vielleicht war man bei dem Emissionsgeschäft nicht immer be- 
strebt, Augenblickserfolge zu vermeiden und nur wirtschaftlich nützliche Werte an den 
Markt zu bringen. Zweifel können erhoben werden, ob die Währungs- und Diskont- 
politik unseres Zentralinstituts bei den Banken immer unbedingte Förderung ge- 
funden hat, und ob letztere bei der Kreditgewährung, namentlich an die Industrie, 
nicht manchen Fehler gemacht haben; fraglich mag endlich sein, ob in den Ge- 
schäften mit Grund und Boden die Banken die großen volkswirtschaftlichen Gesichts- 
punkte immer genügend berücksichtigt haben. Aber so viel steht jedenfalls fest, daß in 
den wichtigsten Zweigen unseres nationalen Wirtschaftslebens die Banken pro- 
duktiv gearbeitet und auf der Höhe ihrer Aufgabe gestanden haben. Die Staaten 
und alle Organe der Selbstverwaltung, Provinzen, Kreise, Städte und Gemeinden sind 
bei ihren Kreditbedürfnissen von den Banken unterstützt worden, und die Entwick- 
lung, namentlich unseres deutschen Städtewesens, wäre ohne die verständnisvolle Mit- 
wirkung der Finanzwelt kaum denkbar gewesen. Vollbahnen und Kleinbahnen, elektrische 
Zentralen, Häfen, Thausseen, Schiffe, Bergwerke sind von der deutschen Bankwelt 
finanziert und dadurch erst ermöglicht worden. Und nicht nur im Innern ist so unsere 
gesamte wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung mit der Tätigkeit der Banken ver- 
knüpft; gerade auch für die Weltstellung Deutschlands haben diese mit allen Mitteln 
und in den verschiedensten Rüstungen gekämpft. Wenn heute der deutsche Handel in 
der ganzen Welt sich ausbreitet und Achtung genießt, so ist das unbestritten und unbe- 
streitbar eine Folge weitblickender deutscher Bankpolitik. Die Banken haben an wichtigen 
Stellen des Erdballs im Auslande Stützpunkte errichtet durch Tochterbanken und ander- 
weitige Filialinstitute. Sie haben mit deutschem Gelde im Auslande großartige indu- 
strielle Unternehmungen finanziert, die ihren deutschen Charakter bewahrt haben; und 
durch Förderung der Seeschiffahrt und der überseeischen telegraphischen Kabel haben sie 
eine dauernde und organische Verbindung aller dieser Unternehmungen mit der Heimat 
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