VI. Buch. Bankwesen. 287
bergestellt. Man wird diese Tatsachen immer wieder zu berücksichtigen haben bei der
an sich gewiß berechtigten Forderung einer nationalen Bankpolitik. Einmal können
die Banken den Aufgaben, die das Gesamtwirtschaftsleben der Nation an sie stellt,
doch nur gerecht werden im Rahmen bankmäßiger Tätigkeit; sie dürfen sich nicht mit
den fundamentalen Forderungen des Geschäftslebens in Widerspruch setzen. Die in-
tensive und planmäßige Förderung der deutschen Industrie aber ist unbedingt nicht
minder eine nationale Tat, als die Pflege des deutschen Exports und Imports und die
Verdrängung der englischen und französischen Handelswelt aus der Vermittlerrolle
zwischen Zmporteur und Exporteur in Heutschland. Gerade auf letzterem Gebiet haben
unsere Banken, und vor allem die bedeutendste und größte, die „Deutsche Bank“, sich
durch jahrelange Mißerfolge nicht abhalten lassen, sondern ihren Weg mit kraftvoller
Entschlossenheit verfolgt. Man kann eben das deutsche Bankwesen nur begreifen und
richtig beurteilen, wenn man es im Zusammenhange mit dem gesamten nationalen
Wirtschaftsleben betrachtet, und gerade für die Periode unserer Berichterstattung
ist es vielleicht angezeigt, auch durch einen kurzen Vergleich mit dem englischen und
französischen Bankwesen den richtigen Standpunkt zu finden.
Vergleich mit dem englischen Es hat eine Zeit gegeben und sie liegt noch nicht
. allzuweit zurück, wo das englische Bank- und
und französischen Bnkwesen. reditspstem als vorbildlich und nachahmenswert
gepriesen wurde. Man ist hiervon allmählich mehr und mehr zurückgekommen. Be-
kanntlich besteht äußerlich in England eine scharfe Scheidung zwischen denjenigen Finanz-
instituten, die sich mit dem laufenden Geschäft: Annahme von Depositen, Diskontierung
von Wechseln und anderweitiger Kreditgewährung und den Instituten, die sich mit
den Effekten-, Gründungs- und sonstigen Finanzierungsgeschäften befassen; es herrscht
somit in England eine ziemlich streng durchgeführte Arbeitsteilung. Die Foint-Stock-Banken
pflegen das Depositengeschäft; es sind zum Teil Institute größten Stils, die als Sammel-
becken aller, auch der kleinsten unbeschäftigten Geldsummen dienen. Ihr Filialnetz
ist ungeheuer ausgedehnt und erstreckt sich auf das ganze Land; einzelne der großen
Londoner Banken haben 600 Filialen und darüber. An Gesamtdepositen haben sie
jetzt über eine Milliarde Pfund Sterling und auch hinsichtlich des Kundenkreises sind
sie ziemlich genau differenziert. Die einen arbeiten ausschließlich mit Großkaufleuten
und der Hautefinance, andere mit den reichen Privatkapitalisten, wieder andere mit
den Mittelklassen, und auch sachlich ist die Scheidung intensiv durchgeführt. Man kennt
in England Banken für Reederei, für Export, Import, Kolonialartikel, für Rohprodukte,
Handelsfabrikate, Edelmetalle und dergleichen mehr. Bei der Kreditgewährung kommen
diese großen Finanzinstitute höchstens für ihre engste Kundschaft in Betracht; bei uns
würde man sagen, daß sie mehr das passive als das aktive Kreditgeschäft pflegen. Zhre
Gelder geben sie an die Diskonthäuser und an die Brokers weiter, die ihrerseits das
Diskont- und Lombardgeschäft pflegen und deshalb als eigentliche Kreditvermittler an-
zusehen sind. Das Effekten-Kommissionsgeschäft wird in London durch die Stock-Brokers
und ZJobbers gemacht; die Broker für fremde Rechnung, die Jobber für eigene. Dem
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