VI. Buch. Bankwesen. 201
an die Privatbanken als erstinstanzliche Kreditvermittler verwiesen. In Oeutschland
dagegen hat die Reichsbank 4—500 Haupt- und Nebenfilialen über das ganze Reich
ausgebreitet, und gerade in der Peripherie sind diese Filialen noch immer in der Mehr-
zahl der Fälle erste Kreditvermittler. Durch das Rediskontierungssystem in Deutschland
bleiben die Privatbanken daher trotz ihrer großen Geldmacht doch immer noch in einer
gewissen Abhängigkeit von der Zentralbank, wogegen die englischen Banken, die zum
Rediskont grundsätzlich nicht schreiten, eine weit unabhängigere Stellung haben. All-
gemein ist die Frage der Stellung des Zentralinstituts zu den Privatbanken eine ernste
und schwierige geworden, und man hat gerade in den letzten Jahren verschiedene Mittel
und Wege vorgeschlagen, die Stellung der Zentralinstitute zu festigen.
Bevor wir nun auf die Einzelheiten des deutschen Bankwesens näher eingehen,
möchten wir einen flüchtigen Blick auf die wirtschaftlichen Zustände werfen, die zu
dem großartigen Aufschwung unseres Bankwesens geführt haben. Die nach dem deutsch-
französischen Kriege einsetzende Entwicklung hatte in erster Linie der enorm ver-
mehrten Bevölkerung Ernährung und Arbeit zuzuweisen. Es kann dabingestellt bleiben,
ob die hypertrophische Städteentwicklung durchaus gedeihlich ist; für die Ausbildung
unseres Geldkredits und Bankwesens war sie von außerordentlicher Bedeutung. Mit
der Bevölkerung und der durch die Entwicklung von Technik und Verkehr so gewaltig
gesteigerten Produktivität wuchsen Einkommen und Volksvermögen in geradezu riesen-
haftem Maßstabe. Die Schätzungen des heutigen nationalen Vermögens variteren
zwischen 200 und 360 Milliarden und übersteigen wohl schon diejenigen Frankreichs,
während sie die englischen annähernd erreichen. Auch das deutsche Volkseinkommen von
schätzungsweise 20—25 Milliarden per Jahr zeigt den enormen Aufschwung des deutschen
Wirtschaftslebens, dessen Kapitalvermehrung nach vorsichtigen und ernsthaften Forschern
jährlich 3/¾, Milliarden beträgt. Es liegt auf der Hand, daß von diesen Riesenkapi--
talien sehr hohe Beträge in Effekten aller Art angelegt werden, und daß diese ganze Ent-
wicklung für unser Geld- und Banksystem von unmittelbarer Bedeutung sein mußte.
Hinzu kam ein mit der Entwicklung von Handel und Industrie Schritt haltender Aufstieg
der Landwirtschaft, die ihre Arbeitsmethoden und Produktionsfähigkeit intensio steigerte
und so zur Kräftigung des inneren Marktes ganz außerordentlich beitrug.
Zu Beginn unserer Berichtsperiode hatten wir in Deutschland einige 70 Kredit-
banken; Ende 1912 gab es deren 156. Im Fahre 1888 betrug das Grundkapital sämt-
licher Kreditbanken 1328 Millionen M. Ende 1912 betrug es 4082 Millionen M. Auch
der Betrag der Bankreserven ist interessant. 1888 waren es 16,10 %% des Grunddkapitals,
Ende 1912 31,8% ; es bewegt sich also auch dieses Prozentverhältnis in stark steigender
Richtung. An eigenem und fremdem Kapital hatten sämtliche Kredit- und Hypotheken-
banken zusammen Ende 1912 insgesamt 33⅛ Milliarden in Verwaltung. Die eigenen
und fremden Kapitalien der Kreditbanken allein stiegen in den 25 Berichtsjahren von
2½ Milliarden auf 15 1/8 Milliarden.
Eine besonders charakteristische Erscheinung im
Die K trati b
ie Konzentrationsbewegung. deutschen Bankwesen ist die Konzentrations-
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