Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
VI. Buch. Bankwesen. 293 
  
stützt wurde in Deutschland die Bankkonzentration durch die in der Induftrie sich durch- 
setzende Ara der industriellen Kartelle und Sondikate, unter denen namentlich das Kohlen- 
syndikat und der Stahlwerksverband eine führende Rolle spielten; ja, diese Industrie- 
konzentration machte die der Banken insofern notwendig, als für die neuen riesigen Fusionen 
und Kombinationen auch wieder riesige Kapitalmittel erforderlich wurden. 
Die Konzentration selber vollzog sich, wie gesagt, in verschiedenen Formen und 
auf verschiedenen Wegen, aber immer mit der Wirkung, daß die Macht des in den Banken 
arbeitenden Kapitals quantitativ und qualitativ vermehrt wurde, und merkwürdigerweise 
waren es gerade die Zeitläufe nach starken Wirtschaftskrisen, die das Anschwellen 
der Kapitalien gefördert haben, was psychologisch leicht zu erklären ist. Während einer 
Krisis empfindet der Schwächere und Kapitalärmere seine Schwäche am ehesten und 
wird gerade nach Uberwindung der Krisis am leichtesten geneigt sein, Umschau zu halten 
nach einem Stärkeren, dem er sich angliedern, und unter dessen Schutz er sich stellen könnte. 
Hier ist auf wirtschaftlichem Gebiet ein ähnlicher Vorgang zu verzeichnen, wie er auf 
politischem und sozialem Gebiet in der Geschichte des deutschen Mittelalters sich so oft 
abgespielt hat. Während der letzten 25 JZahre war es namentlich die Zeit nach der Krisis 
von 1901, in der sich die Konzentrationsbewegung mit einer geradezu unheinmlichen 
Schnelligkeit geltend machte, wozu gewisse Ereignisse in Amerika, die stark auf die kon- 
tinentalen Anschauungen einwirkten, den Anstoß gaben. Denn gerade damals hatte 
sich in Amerika der ungeheure Stahltrust zusammengeschlossen mit einer bisher noch 
nie dagewesenen Kapitalkraft von mehr als einer Milliarde Dollar. Diese Trustbildung 
hatte in Deutschland ein gewisses Angstgefühl ausgelöst und überall auch in den Köpfen 
der Finanz- und Handelswelt die UÜberzeugung erweckt, daß nur starke und große Kapitals- 
mächte der Herrschaft Amerikas würden Widerstand leisten können. Zu vergessen ist 
auch nicht, daß die Gesetzgebung in Heutschland zu ihrem Teil zur Schwächung der 
schwachen und zur Stärkung der starken Finanzkräfte beigetragen hat. Die Reichsbank- 
stempelgesetze von 1894 und 1900 und das im Jahre 1897 eingeführte Börsengesetz 
haben die Stellung der Einzelbankiers, namentlich in der Provinz, ganz wesentlich er- 
schwert. Die Konkurrenzfähigkeit gegen die Großen hörte auf, da die letzteren bei den 
Unkosten ganz erheblich sparen konnten, und auf der anderen Seite waren lohnende 
und wirtschaftsnützliche Zweige der provinzialen Arbeitskräfte, namentlich die Arbitrage, 
durch die Beränderung in der Gesetzgebung so gut wie unmöglich geworden. Oie führen- 
den Berliner Großbanken gliederten sich im Lauf der Jahre eine Reihe provinzieller 
Bankinstitute an und bildeten dadurch wichtige und mächtige Gruppen immerhalb der 
deutschen Finanzwelt. So beträgt beispielsweise die Summe der Aktienkapitalien plus 
Reserven bei der Gruppe der Deutschen Bank mehr als eine Milliarde Mark. Ahnlich, 
wenn auch finanziell nicht so bedeutend, sind die Gruppen der Diskonto-Gesellschaft, der 
Dresdner Bank und andere. Und das Kapital der Deutschen Bank, das im Gründungs- 
jahre 1870 15 Millionen betrug, ist heute 200 Millionen, ebenso hoch beläuft sich heute 
das der Diskonto-Gesellschaft, das im Gründungsjahre 1851 30 Millionen betrug, und 
auch die Dresdner Bank mit 9,6 Millionen im Gründungsjahre 1872 hat heute bereits 
200 Millionen Kapital. Die Konzentration wählte übrigens noch andere Wege als 
741
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.