Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
294 Bankwesen. VI. Buch- 
  
die der Kapitalserhöhung und der Angliederung von Unternehmungen. Die großen 
Banken begründeten Kommanditen und Filialen in der Provinz, indem sie sich bei 
bestehenden alten Bankgeschäften durch Kapitalseinlage beteiligten oder diese Geschäfte 
unter Ubernahme ihres Kundenkreises in Filialen umwandelten. Häufig schritten auch 
die Banken zur Errichtung selbständiger Filialen an anderen Plätzen, wobei freilich 
immer eine gewisse Karenzzeit verging, bis diese ganz neuen Unternehmungen sich ein 
eigenes Geschäft von Bedeutung aufbauen konnten. 
Auf die Entwicklung unseres Bankwesens hat das Ver- 
hältnis zur Industrie, das wir in dieser Form sonft 
nirgends finden, einen ganz wesentlichen Einfluß gehabt, zumal, wie wir sahen, gleich- 
zeitig mit der Bankkonzentration auch die der Industrie große Fortschritte gemacht 
hatte. Bei der letzteren waren es hauptsächlich Rücksichten des Betriebes; die In- 
dustrie mußte sich an denjenigen Orten stark zusammendrängen, wo die Arbeitsverhält- 
nisse und die Verkehrsbedingungen besonders günstig waren; die Konzentration wurde 
ferner bedingt durch eine, die billigere Produktion oder besseren Absatz fördernde Ver- 
einigung von Betrieben. A#llle die großen Transaktionen in der Montanindustrie, der 
elektrotechnischen, der chemischen Industrie und Reederei, aber auch in der Maschinen- 
industrie und in anderen Branchen, vollzogen sich unter dem maßgebenden Einfluß 
der deutschen Bankwelt, die sich durch Kreditgewährung, durch UÜbernahme von 
Aktien und Obligationen in stete enge Fühlung mit der Industrie gebracht hatte. Bei den 
Minen und Gegenminen, in den Kämpfen zwischen den großen Industriekonzernen und 
einzelnen Werken, bei denen auch mächtige Einzelfirmen hervortraten, finden wir fastimmer 
die Männer der Hochfinanz in irgendeiner Form beteiligt oder führend, und es entstand aus 
diesen jahrelangen gemeinschaftlichen Arbeiten unter den leitenden Persönlichkeiten der 
Banken und der Industrie eine Art von Symbiose, die für die Gestaltung unseres ganzen 
Wirtschaftslebens entscheidend wurde. Es ging bei dieser Entwicklung nicht immer und 
überall friedlich und ruhig zu; des öfteren haben ziemlich erbitterte Kämpfe der einzelnen 
Banken und Bankgruppen um die Vorherrschaft in großen Industrieunternehmungen 
stattgefunden, aber in den letzten Jahren ist im allgemeinen eine ziemlich reinliche 
Scheidung eingetreten, und die verschiedenen Konzerne haben sich abgegrenzt und 
kristallisiert. 
Es kann heute, wo die Konzentrationspolitik noch Gegenwartsgeschichte ist, füglich 
noch nicht entschieden werden, ob diese ganze Bewegung, die übrigens mehr oder minder 
stark sich überall in der Welt geltend gemacht hat, nur Vorteile mit sich bringt oder auch 
von Nachteilen begleitet ist. Einzelne Vorteile springen ohne weiteres in die Augen; die 
Möglichkeit, in den starken und mächtigen Konzernen eine Finanzpolitik großen Stils 
und nach einem festen Programm zu treiben. Oie Riesenunternehmungen, die unsere 
Großbanken heute darstellen, werden kaum noch geneigt sein, reine Geschäftspolitik 
nach einseitigen Gewinnmrücksichten zu treiben, und sie werden auch eher imstande sein, 
eine nationale oder imperialistische Wirtschaftspolitik der Regierung zu unter- 
stützen. Der Überblick über unser gesamtes Wirtschaftsleben, den gerade bei der 
Banken und Industrie. 
  
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