Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
VI. Buch. Bankwesen. 299 
  
im allgemeinen als liquide; Effekten als illiguide, und dabei weiß doch jeder Kenner, 
daß die Wechselbestände im vollen Betrage kaum bei irgendeiner Bank flüssig zu 
machen sind, auch nicht im Wege der Rediskontierung; und umgekehrt gibt es unter 
den Effekten, wenigstens in normalen Zeiten, stets sehr große Beträge, die jederzeit 
verwertbar zu machen sind. Immerhin ist die Veröffentlichung dieser Zweimonats--- 
bilanzen für die Banken ein Mittel der Selbstdisziplin und Kontrolle; dem geschäfts 
kundigen Publikum gewährt sie gerade durch Vergleichung der einzelnen Zahlen einen 
gewissen Einblick, und jedenfalls haben diese Bilanzen für die Finanzwissenschaft, 
die Statistik und die gesamte Nationalökonomie einen unbestreitbaren Wert. Vor- 
aussichtlich wird man immer mehr auf eine noch größere Spezialisierung der Bi- 
lanzen hindrängen, was aber dazu führen kann, daß den Banken ernste Schwierig- 
keiten erwachsen, weil sie möglicherweise interne Vorgänge ihres Geschäftsbetriebes 
vor die Offentlichkeit bringen und den Augen der Konkurrenz preisgeben müssen. 
Jedenfalls muß man sich klar sein, daß keine Liquiditätsschlüssel und keine gesetzliche 
Vorschriften für die Sicherheit der fremden Gelder unanfechtbar Gewähr leisten können. 
Bei den Verhandlungen der Bank-Enquete von 1908—1909 ist ja auch von den schärfsten 
Kritikern die Sicherheit und Solidität der überwältigenden Mehrheit unserer Kredit- 
banken, soweit sie mit mehr als einer Million Aktienkapital arbeiten, in keiner Weise 
angezweifelt worden. Und gerade die Zusammenbrüche der letzten Jahrzehnte, „Leip- 
ziger Bank“ und „Niederdeutsche Bank“, haben gezeigt, daß man durchaus liquide er- 
scheinende Bilanzen veröffentlichen kann, in denen die wirklichen Schäden der Geschäfts- 
führung sich verstecken. Also in sormellen Vorschriften über Liquidität können bestimmte 
Garantien sicherlich nicht gefunden werden. Man hat nun auch von einer staatlichen 
Beaufsichtigung der Banken gesprochen, wie sie für Hyppotheken und Versicherungs- 
banken schon eingerichtet ist; solche Gedanken kann man indes nicht scharf genug 
zurückweisen. Die staatliche Beaufsichtigung würde nicht bloß eine schwere dauernde 
Belästigung für die Banken darstellen, sondern sie würde auch die Staatsverwaltung 
mit einer Verantwortlichkeit belasten, die zu tragen sie kaum imstande ist. Im allge- 
meinen haben alle Banken von einiger Bedeutung das Kontroll- und Revisionssystem 
in ihren eigenen Mauern mit großer Sorgfalt ausgebildet, und es ist kaum denkbar, 
daß ein staatlicher Beamter die gewährten Kredite, den An- und Verkauf von Effekten, 
die Eingehung von Finanz- und Konsortialgeschäften kritischer, sachkundiger und strenger 
beurteilen könnte, als dies von den Organen der Bank selbst zu geschehen pflegt. End- 
lich kann man hier darauf hinweisen, daß der Reichsbank eine sehr starke materielle 
Möglichkeit beiwohnt, das ihr von den Banken eingerichtete Wechselmaterial auf 
Bonität und Solidität zu prüfen; und gerade den klleineren Banken gegenüber, die 
zuweilen eine, zur Höhe ihres Aktienkapitals gemessen, sehr große Summe von De- 
positen haben, wäre eine solche kritische und korrigierende Ourchsicht der eingereichten 
Wechsel besonders zu wünschen. Denn es kann nicht zweifelhaft sein, daß bei den 
Ueineren Banken die Liquidität häufig eine wesentlich ungünstigere ist. Eine Statistik 
über 52 Aktienbanken mit einem Kapital von je unter 300 Ooo M. hat ergeben, 
daß diese Banken das Achtfache ihres Kapitals und ihrer Reserven als Depositen haben, 
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