Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
VI. Buch. Bankwesen. 307 
  
mühevoller und verantwortungereicher als die der größeren bankgeschäftlichen Trans- 
aktionen; jeder Neugründung und Umwandlung, auch jeder Ubernahme von Albktien 
gehen sehr eingehende und zeitraubende Untersuchungen voran, die sich nach den ver- 
schiedensten Richtungen hin erstrecken. Zunächst wird natürlich das betreffende indu- 
strielle und kommerzielle Institut auf Herz und Nieren geprũüft, wenn man es nicht 
schon, wie das in der Mehrzahl der Fall sein wird, seit längerer Zeit genau kennt. Und 
gerade aus einer Kontokorrent-Verbindung pflegen derartige Finanztransaktionen zu 
entstehen, wie wir das oben beim Kapitel Kredit schon beleuchtet haben. Hat eine Bank 
langfristigen Kredit gegeben, so wird sie ihn von vornherein in der Absicht und dem Wunsche 
gewährt haben, den Kredit über kurz oder lang durch Aktien und Obligationen zu mobi- 
lisieren. So verbindet sich das Gründungs- und Emissionsgeschäft eng mit dem Kredit- 
geschäft. Vor der Entscheidung wegen Ubernahme oder Emission der Aktien ist seitens 
der Bankleiter die gesamte Wirtschaftslage, Konjunktur und der Geldmarkt zu prüfen. 
Es muß untersucht werden, ob für derartige Papiere zurzeit Aufnahmefähigkeit vor- 
handen ist, ob der Geldmarkt die nötigen Chancen bietet, ob man das Geschäft allein 
machen kann oder sich Konsorten und Unterbeteiligte suchen soll. Es ist mit Rücksicht 
auf die Liquidität der Bank zu prüfen, welche Beträge man fest übernimmt, und 
wofür man sich, und in welchen Formen Option gewähren läßt. Und endlich ist 
beim Vertrieb der Aktien durch Bonifikationen und Abmachungen mit den Provinzial- 
bankiers die nötige Vorsorge für eine nützliche Abwicklung des Geschäfts zu treffen. 
Auch die Ubernahme von Anleihen des Reichs, der Einzelstaaten, der Städte und 
sonstiger Korporationen ist für die Banken keineswegs immer ein nutzbringendes Ge- 
schäft gewesen. Zede Emission, jede Gründung und Umwandlung bedeutet im Ubrigen 
ein erhebliches Risiko, bei dem die Chancen durchaus nicht immer auf seiten der finan- 
zierenden Banken sind. Schwere Verluste, jahrelange Sorgen sind häufig die Folgen 
dieser Transaktionen für die Banken gewesen, und fast jedes einzelne der deutschen 
großen Bankinstitute hat an einem oder anderen Unternehmen, das bei seiner Grün- 
dung oder Finanzierung sehr verheißungsvolle Aussichten zu bieten schien, schmerzliche 
Erfahrungen gemacht. Gerade die Erfahrung der letzten Zahrzehnte und eine immer 
mehr vervollkommnete Technik haben auch auf diesem Gebiete allmählich ruhigere Zeiten 
herbeigeführt; man darf hoffen, daß so schmerzhafte Wunden, wie sie die deutschen 
Banken früher auf diesem Gebiete erlitten, ihnen fortan doch erspart bleiben werden. 
Ganz besonders stark angefochten wurde in den letzten 
Jahren das Auslandsgeschäft der Banken: die 
Übernahme auswärtiger Anleihen und auswärtiger Industriewerte und deren 
Plazirung an deutschen Börsen. Man hat den Banken vorgeworfen, daß sie ohne Rück- 
sicht auf den heimischen Markt das Geld ins Ausland trügen, daß sie die Interessen 
unseres Handels, namentlich aber unserer Industrie und Landwirtschaft, vernach- 
lässigt und lediglich RKücksichten auf Gewinn haben entscheiden lassen; man hat nach 
gesetzgeberischen Maßnahmen und Schritten der Zentralinstanz gegen diesen Export- 
kapitalismus gerufen, und namentlich bei der Bankenquete von 1908/1909 hat auch 
Ezport —Kapitalismus. 
  
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