322 Versicherungswesen. VI. Buch.
Versicherung die gleiche kreditschaffende Folge wie die Feuerversicherung, ohne die ein
Immobilienkredit fast undenkbar wäre; aber immerhin ist es Uar, daß das Vorhanden-
sein ausreichender Versicherungen der verschiedensten Art einem Geschäftsmann, einem
Landwirt eher und mehr Kredit verschafft, als wenn er auf Versicherung verzichtet.
Wie fast keine Erscheinung des gesellschaftlichen oder
wirtschaftlichen Lebens mehr ganz unberührt von der
Versicherung geblieben ist, so ist auch ihr Zusammenhang mit der auswärtigen Politik
in der uns beschäftigenden Periode ihrer Entwicklung immer mehr zutage getreten.
Es haben vor allem die Kriegsmöglichkeit und die Kriegsereignisse der letzten Zahre mit
Kecht die allgemeine Aufmerksamkeit auf die Frage gelenkt, ob und wie die Kriegs-
schäden von unseren Versicherungsanstalten gedeckt werden. Die Kriegsversicherung
bildet in den meisten Versicherungszweigen noch ein schwieriges, keineswegs gelöstes
Problem. Hat man auf dem Gebiet der Lebensversicherung auch immer mehr die
Haftung für Kriegsschäden in die Versicherungsverträge eingeschlossen, so ist auf dem
Gebiet der Feuer- wie der Transportversicherung eher das Gegenteil zu vermerken.
Das ist zwar zu bedauern, aber durchaus erklärlich, denn die Versicherungstechnik
muß sich mit Berechnungen behelfen, die auf statistischen Ermittlungen hinsichtlich
des von ihr zu deckenden Lüsikos beruhen. Diese Statistiken sind jedoch naturgemäß
um so schwieriger zu beschaffen, je mehr es sich dabei um Ausnahmeerscheinungen han-
delt, die sich womöglich nur nach langen Zwischenräumen zeigen und dann verhältnie-
mäßig schnell ablaufen. Daß der Krieg mit seinen materiellen Schädigungen des Wirt-
schaftslebens zu diesen Erscheinungen gehört, liegt auf der Hand, aber dieser Schwierigkeit
gegenüber besteht das dringende Bedürfnis zahlreicher Wirtschaften und Personen beim
Eintritt von Kriegsschäden materielle Heckung zu erhalten. In England hat man in einer
parlamentarischen Untersuchungskommission dieses Problem zu lösen gesucht, wenig-
stens soweit es sich um die Seeversicherung handelt. Dabei ist man zu einem über-
raschenden Ergebnis gekommen, das auch in unseren Regierungs- wie Versicherungs-
kreisen dauernde und eingehende Beachtung verdient: man hat von allen Versicherungs-
und Versorgungsplänen privater wie staatlicher Natur Abstand nehmen zu mühssen
geglaubt, hat erklärt, die Versicherung sei stets nur etwas Sekundäres, während das Pri-
märe die Schadensmeidung und Schadensunterdrückung sein müsse und sein solle. Da-
her müßte man eine so mächtige Kriegeflotte besitzen, daß die gestörte Entwicklung
des Handels und der Schiffahrt so gut wie ausgeschlossen sei. Hier tritt das Inter-
esse auch der Privatversicherung an einer möglichst unüberwindlichen Kriegsmacht lla#
zutage.
Krieg und Versicherung.
Fortschritte der Gesetzgebung. Zn keiner Epoche war die Gesetzgebungs-
maschine auf dem Gebiet der Versicherung
in stärkerer Tätigkeit als im letzten Vierteljahrhundert. Daß und wie dies hinsicht-
lich der Sozialversicherung der Fall war, wird von anderer Seite geschildert. Aber
auch für die Privatversicherung war die Epoche fruchtbarer als je eine andere.
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