VI. Buch. Zandwerk. 331
getreten ist. Dieser Abnahme der Betriebe steht nun in den übrigen Handwerken eine
Zunahme von 146 972 gegenüber; sie umschließen die Hauptzweige des Handwerks,
wie Bäcker, Metzger, Schneider, Friseure, Bauhandwerker, und weisen auch eine Ver-
größerung in den einzelnen Betrieben auf. So ist das Ergebnis nicht so ungünstig, wie
es vielfach dargestellt worden ist; im ganzen betrachtet hat das Handwerk trotz der gleich-
zeitigen mächtigen Entwicklung des Großbetriebes eine zähe Lebenskraft bewiesen.
Es sei hier indessen noch der Einwurf Sombarts erwähnt, daß die Art der Ermittlung
zu ungenau sei, weil die blanke statistische Zahl nicht hinreiche, um die quantitative und
dualitative Bedeutung eines Gewerbebetriebes auszudrücken. Nach der quantitativen
Kichtung belehrt uns die Statistik nur über die Berufsangehörigkeit einer Person, nicht
aber über den Umfang ihrer Berufstätigkeit. Nach der qualitativen Richtung klärt sie
uns nicht auf, ob der Gewerbetreibende noch ökonomisch selbständig tätig ist oder bereits
in irgendeinem Abhängigkeitsverhältnis zu einem kapitalistischen Unternehmen steht,
wie das heute bei zahlreichen Handwerkern, besonders bei Bäckern, Bauhandwerkern
und Möbeltischlern der Fall ist; in der Schneiderei sind die klleinen Handwerker vielfach
nichts anderes, als Lohnarbeiter im Dienste eines kapitalistischen Unteernehmers. Die
Ergebnisse der Berufs- und Gewerbestatistik von 1907 bewegen sich in derselben
Richtung. (Vergleiche unten S. 349.)
Nachdem auch noch die Erfahrungen einer von der Regierung zum Studium der
Handwerksorganisation nach Österreich entsandten Kommission vorlagen — Osterreich
hatte 1883 die Gewerbefreiheit und für 47 Gewerbe den Verwendungsnachweis, eine
Art Befähigungsnachweis, eingeführt —, kamen bei den deutschen Behörden zwei Ge-
setzesentwürfe zur Ausarbeitung. Der eine, im preußischen Ministerium für Handel
und Gewerbe ausgearbeitet, verwertete die Berlepschen Vorschläge, der andere, im
Reichsamt des Innern entstanden und als Bötticherscher Entwurf bekannt, befaßte sich
nur mit der Einrichtung von Handwerkskammern. Letzterer wurde vom Reichstage ab-
gelehnt, ersterer 1896 von dem neuen preußischen Minister für Handel und Gewerbe
(Brefeld) vorgelegt. Dieser neue Entwurf sah Zwangsorganisation in Innungen mit
Handwerkskammern vor, aber im Gegensatz zu den Berlepschen Vorschlägen nur für
die Handwerker; vom Befähigungsnachweis war abgesehen. Nachdem die Handwerker--
verbände dazu Stellung genommen hatten, wurde er auf Veranlassung des Bundes-
rats, in dem besonders die süddeutschen Regierungen der obligatorischen Zwangsinnung
widersprachen, umgearbeitet und die obligatorische durch die fakultative Zwangsinnung
ersetzt. Am 15. März 1897 konnte der Reichskanzler, Fürst Hohenlohe, diesen abge-
änderten Entwurf dem Reichstage zur verfassungsmäßigen Beschlußfassung vorlegen; er
wurde mit einigen weniger wichtigen Abänderungen und Neuerungen angenommen und
als Gesetz betr. die Abänderung der Gewerbeordnung vom 26. Juli 1897
veröffentlicht. —
Das Haudwerkergesetz vom 26. Juli 1897 umfaßte
in 9 Artikeln gesetzliche Vorschriften über die Organi-
sation des Handwerks (Innungen, Innungsausschüsse, Handwerkskammern und
Das Handwerkergesetz.
779