Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
VI. Buch. Handwerk. 355 
  
schluß sich für die Erlangung von Submissionsaufträgen leistungsfähig zu machen, durch 
eine geregelte Buch- und Rechnungsführung sich die Kunst des Kalkulierens zuverlässig 
anzueignen, damit die oft unglaublichen Unterschiede in der Preisstellung verschwinden, 
und die einschlägigen Bestimmungen zu studieren und in ihrem Sinne zu handeln, damit 
die Staatsverwaltung in ihrem Vertrauen nicht getäuscht wird. 
Unter den „kleineren Mitteln“ verdienen einige besondere 
Beachtung. Da die Konkurrenz der Warenhäufer und 
Konsumvereine in erster Linie den Kleingewerbetreibenden 
trifft, gehen wir darauf nicht näher ein und berücksichtigen deshalb auch nicht weiter 
die Rabattsparvereine, die gegen diese Konkurrenz ins Leben gerufen wurden; 
erwähnt sei nur, daß die von mehreren Bundesstaaten eingeführte Warenhaussteuer — 
in Preußen seit 1900 mit 1—2% des Umsatzes, böchstens 20% des Ertrages — die 
beabsichtigte Wirkung nicht gehabt hat. — Bezüglich des Wandergewerbee ist eine 
Ergänzung der Gewerbeordnung in Aussicht gestellt, nach der die Zulassung von 
Wanderlagern vom Bedürfnis abhängig gemacht werden soll. 
Warenhäuser. 
Konsumvereine. 
  
  
Bezüglich der Einschränkung der Gefängnisarbeit ver- 
langte der Allgemeine Deutsche Handwerkertag von 1886, 
daß von den Sträflingen nur solche untergeordneten Arbeiten angefertigt werden 
sollten, die der Staat für seinen eigenen Bedarf braucht. Der Deutsche Handwerks- 
und Gewerbekammertag von 1909 will, daß die Gefängnisarbeit so zu gestalten sei, daß 
die dem freien Gewerbe hierdurch verursachte Konkurrenz künftig ausgeschlossen wird. 
Allerdings ist in der Gefängnisarbeit eine Konkurrenz für das Handwerk vorhanden; 
aber aus sittlichen, finanziellen, volkswirtschaftlichen und strafrechtlichen Gründen kann 
sie nicht ganz beseitigt werden. Die Behörde ist auch stets bemüht gewesen, gegen 
berechtigte Klagen Abhilfe zu schaffen. Heute werden die Gefangenen nach Möglichkeit 
mit der Herstellung von Gebrauchsgegenständen für Reichs- und Staatsbehörden, nament- 
lich für die Militärverwaltung, beschäftigt, auch für landwirtschaftliche Kulturarbeiten 
für Staats- und Kommunalverwaltungen sowie für Private finden sie Verwendung. 
Oer Betrieb durch Unternehmer und für deren Rechnung, ebenso durch die Anstalts- 
verwaltung für Rechnung eines Unternehmers ist heute mit seinen bedenklichen Miß- 
ständen im allgemeinen beseitigt, und der Betrieb durch die Anstaltsverwaltung für 
eigene Rechnung (Regiearbeit) ist die Regel; die Verwendung von Kraftmaschinen wird 
nicht zugelassen. 1907 waren im Reiche 8332912 Personen im Gewerbe tätig, denen 
30 000 Gefangene gegenüberstanden; so kamen 250 freie Arbeiter auf einen unfreien, 
ganz abgesehen davon, daß der Wert der Arbeit des freien Arbeiters höher anzusetzen ist 
als der des Gefangenen. So sollte man von einer verderblichen Konkurrenz durch die 
Gefängnisarbeit nicht reden. 1910 hat das preußische Abgeordnetenhaus einen Antrag 
angenommen, nach dem ein Beirat aus den Kreisen des Handwerks usw. gebildet werden 
soll, um zu prüfen, ob und in welcher Weise Abänderungen in der Gefängnisarbeit 
möglich sind. 
Sefängnisarbeit. 
  
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