3# Oie deutsche Landwirtschaft. VI. Buch.
bestände, der Bodendrainage und Kultivierung unserer Moore und Odländereien —
wir stehen überall erst in den Aufängen einer vollen und allgemeinen wirtschaft-
lichen Ausnutzung unserer gewaltigen wissenschaftlichen und technischen Errungen-
schaften des letzten halben Zahrhunderts. Namentlich sind diese Errungenschaften heute
noch nicht zum Gemeingut der Masse unserer kleineren bäuerlichen Betriebe ge-
worden, in deren Händen doch das Schwergewicht der deutschen Landwirtschaft ruht.
Hier den wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften der Neuzeit die Wege zu
bahnen, ist für die nächsten Jahrzehnte die große Aufgabe unseres landwirtschaftlichen
Schulwesens. Mögen immerhin auch unsere landwirtschaftlichen Fachschulen im letzten
Bierteljahrhundert eine bedeutende Vermehrung (annähernd eine Verdreifachung) er-
fahren haben, wir stehen auch hier erst in den Anfängen dessen, was getan werden
muß. Die großen wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften sind da. Sie
brauchen nur zur allgemeinen Kenntnis und rationellen Anwendung aller oder
wenigstens der Mehrzahl aller Landwirte gebracht zu werden, um ohne weiteres das
große Ziel unserer selbständigen Volksernährung zu erreichen.
Denn unsere durchschnittlichen Ernteerträge für das Reichsgebiet, mögen sie
immerhin die Ourchschnittserträge anderer Länder übersteigen, stehen doch binter
den Erträgen, wie sie heute bei uns in jeder rationell und intensiv betriebenen Wirt-
schaft verlangt und regelmäßig erzielt werden, noch unendlich weit zurück. Erträge von
pKro Morgen 10 Zentner Weizen und 8 ⅛ Zentner NRoggen oder Hafer, wie sie heute
den Reichsdurchschnitt bilden, sind Erträge, welche in unseren besseren, intensiveren
Wirtschaften nahezu um das Doppelte übertroffen werden.
Also wir sind noch lange, lange nicht am Ende der Steigerungsfähigkeit unserer
Getreide- und noch weniger unserer Viehproduktion angelangt.
Za, wenn der Rektor der Berliner Landwirtschaftlichen Hochschule an der Wende
des vorigen Jahrhunderts feststellte, die landwirtschaftliche Produktion habe sich im
19. Zahrhundert verdoppelt, aber er bezweifele nicht, daß es möglich sei, sie im 20. Zahr-
hundert noch einmal zu verdoppeln, so halte ich mich heute, nach den Erfahrungen
der inzwischen verflossenen 13 Jahre, wie ich sie vorstehend dargelegt habe, für voll-
kommen berechtigt zu der Hoffnung, daß wir, wenn wir nur in der gleichen Weise fort-
schreiten, wie in den letzten 25 Zahren, bei weitem kein volles Zahrhundert ge-
brauchen werden, um unsere landwirtschaftliche Produktion noch einmal zu verdoppeln.
Und doch würde schon eine Steigerung derselben um nur 50% mehr als genügen,
um selbst eine Einwohnerzahl von über 100 Millionen Köpfen vollkommen selbständig.
auf deutscher Scholle zu ernähren.
Die technische Möglichkeit, dies große Ziel zu erreichen, kann heute nicht mehr
bestritten werden. Seine tatsächliche Erreichung wird freilich nur unter wirtschaft-
lichen Verhältnissen erwartet werden können, welche auch eine lohnende Steigerung
unserer Bodenerträge und unserer Biehhaltung ermöglichen.
Zu diesen wirtschaftlichen Berhältnissen werden neben dem unverkürzten Schutz un-
serer ganzen vaterländischen Arbeit — vor allem eine möglichst günstige Grundbesitz-
verteilung durch eine fortschreitende innere Kolonisation und eine befriedigende
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