Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
366 Oie Arbeiter-Sozialpolitik. VI. Buch. 
  
die Einbringung des Gesetzes zur Versicherung aller Arbeiter gegen die Ge- 
fahren des Alters und der Invalidität an. 
Trotzbem die Kranken- und Unfallversicherung in ihrer 
praktischen Durchführung sich durchaus bewährt und 
so dem Gedanken der Arbeiterversicherung neue Freunde gewonnen hatten, so begegnete 
die neue Vorlage in ihrer konkreten Gestaltung doch nicht minder mannigfachen Wider- 
ständen. Fürst Bismarck, der die Verhandlungen wesentlich Herrn Staatssekretär Boetticher 
überlassen hatte, sah sich genötigt, in der zweiten Lesung der Vorlage (am 29. März 
1889) selbst nachdrücklichst einzugreifen, mit der Versicherung, daß er es als heilige Pflicht 
empfände gegenüber dem alten, bingeschiedenen Kaiser wie gegen seinen neuen 
Herrn, Kaiser Wilhelm lI., der dieses von seinem Großvater so dringend 
gewünschte Werk durchaus vollenden wolle, seinen ganzen Einfluß für die glück- 
liche Berabschiedung dieses Gesetzes einzusetzen. Er erreichte es denn auch, daß das Ge- 
setz am 24. Mai 1889 mit der knappen Mehrheit von 20 (185 gegen 165) Stimmen an- 
genommen wurde. 
Invalidenversicherung. 
  
So hatte Kaiser Wilhelm ll. das soziale Testament seines 
hochseligen Großvaters auch bezüglich der Znvaliden- 
versicherung durch dessen großen Kanzler zur glücklichen Durchführung gebracht. 
Aber auch nach dem Ausscheiden des Fürsten Bismarck hat der Kaiser das Werk mit 
gleicher Liebe und Treue geschützt und weitergeführt. Wenn auch Grundriß und 
Aufbau der verschiedenen Versicherungsgesetze im großen und ganzen die Probe 
des Lebens durchaus bestanden, so stellten sich doch in Einzelheiten bald mannig- 
fache Unklarheiten und Lücken heraus. Namentlich aber — und das war die erfreulichste 
Wirkung — machten sich bald von allen Seiten Wünsche geltend auf Fortführung des 
Werkes: Erweiterung des Bereiches, Erhöhung der Leistungen ufsw. So folgte dann 
die Periode der Novellen, und zwar zur 
Krankenversicherung vom 10. April 1892 und 25. Mai 1903, 
Invalidenversicherung vom 13. Juli 1899, 
Unfallversicherung vom 30. Juni 1900. 
Sie stellten nicht bloß Verbesserungen, sondern den zielbewußten sostemati- 
schen Ausbau der Grundgesetze dar. Neue Personenkreise wurden einbezogen, die 
Leistungen erheblich gesteigert, die finanziellen Grundlagen der Invalidenversicherung 
durch eine andere Verteilung der Lasten gefestigt, so daß namentlich die Novellen zur 
Znvaliden- und Unfallversicherung in ihrer Bedeutung fast als ein neues großes Ge- 
setzgebungswerk gelten können. Namentlich war es das Verdienst des Grafen Posa- 
dowsky und seiner Räte: von Woedke, Caspar, Kaufmann, Beckmann usw., daß sie so 
bald und glücklich unter Dach gebracht wurden. Sein gerechter Sinn, sein politischer 
Weitblick, seine Geduld und Ausdauer, verbunden mit einer hochgespannten Arbeitskraft, 
wußten alle Schwierigkeiten zu überwinden und hatten den Erfolg, daß diese um- 
fassenden Gesetze fast einstimmige Annahme fanden, mit Einschluß der Sozialdemo- 
Zielbewußter Ausbau. 
  
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