Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
368 Oie Arbeiter-Sozlalpolitik. VI. Buch. 
  
allem die Ausdehnung der Krankenversicherung auf die Landarbeiter (5,8 Millionen 
Versicherte), Dienstboten (1,1 Mill.), unständige Arbeiter (556 000), im Wandergewerbe 
Beschäftigte (40 000), Hausgewerbetreibende (295. 000) und auf die Betriebsbeamten 
und Angestellten bis zu 2500 M. Jahresarbeitsverdienst (gegen bisher 2000 M.). Die 
Invalidenversicherung hat eine erfreuliche Ergänzung erfahren durch die Kinderrente 
als Zuschuß zur Invalidenrente für den Fall, daß noch nicht erwerbsfähige Kinder zu 
versorgen sind (im Betrag von etwa 9 Mill. jährlich). Endlich finden die Wünsche für die 
Witwen, wenigstens insoweit als sie invalide sind, und für die Waisen bescheidene 
Erfüllung. Die gesamten Mehrleistungen der Reichsversicherungsordnung belaufen sich 
so auf etwa 200 Mill. jährlich. 
Die Invaliden- nebst Witwen- und Waisenver- 
sicherung erstreckt sich auf die gegen Lohn oder 
Gehalt beschäftigten Personen, soweit ihr Arbeitseinkommen zweitausend MNark 
nicht übersteigt. Mit 1150 M. (als höchster Lohnklasse) ist die Grenze für Bei- 
träge wie Leistungen gezogen. Wer einmal versichert war, kann zwar auch bei Steigerung 
seines Arbeitseinkommens über 2000 M. binaus sich die einmal erworbenen Ansprüche 
durch freiwillige Beitragszahlung erhalten, geht aber dann des gesetzlichen Zuschuß- 
beitrages des Arbeitgebers verlustig. So war es verständlich, daß schon bald in den 
Kreisen der höher besoldeten Privatbeamten und Angestellten der Wunsch nach 
einer entsprechenden Ausgestaltung der Fürsorge für ihre Invaliden, Witwen und Waisen 
laut wurde und bald auch im Reichstage ein Echo fand. Die mächtig sich entwickelnden 
Verbände der Privatbeamten und Angestellten traten. zur wirksamen Förderung ihrer 
Interessen zu einem „Hauptausschuß"“ zusammen, der mehr als 700 000, b. b. ein 
Orittel aller Angestellten, umfaßte und durch Erhebungen die Unterlagen für zwei im 
Reichsamt des Innern ausgearbeitete Denkschriften bot und so die Ausarbeitung einer 
gesetzgeberischen Vorlage wirksam vorbereitete. Diese wurde dann auch unterm 20. März 
1911 dem Reichstag vorgelegt, der sie nach eingehenden Beratungen in derselben Kom- 
mission, welche eben die Reichsversicherungsordnung erledigt hatte, unter der geschickten 
Führung des Herrn Staatssekretärs Delbrück und der Herren Geheimen Oberregierungs- 
räte Koch und Beckmann noch vor Schluß der Legislaturperiode unter dem 5. Dezember 
1911 einstimmig zur Verabschiedung brachte. 
Angestellten-Versicherung. 
  
Die Angestelltenversicherung erstreckt sich auf mehr als 2 Millionen Beamte und Angestellte. Sie besteht 
selbständig neben der Invalidenwersicherung, so daß solche Personen, welche 2000 M. und weniger beziehen, 
oder nach Erhöhung des Gehaltes ihre Versicherung bei der Inwalidenversicherung freiwillig fortsetzen. in beide 
Versicherungen einzahlen, aus beiden aber auch unverkürzt ihre Unterstützungen beziehen. Der Beitrag stellt 
sich durchschnittlich auf 8% des Gehaltes und verteilt sich gleichmäßig auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer. 
Der Gesamtbetrag, der durch die Beiträge jährlich aufgebracht wird, ist auf 205 Mill. Mark veranschlagt. 
Auf jeden Versicherten macht das im Durchschnitt 113,60 M., wozu für drei Viertel der Versicherten noch etwa 
20 M. für die Inwalidenversicherung kommen. Das Gesetz ist am 1. Januar 1913 in Kraft getreten. 
Über Charakter und Organisation der deutschen Arbeiterversicherung verweisen 
wir auf das Kapitel „Reichsversicherung“ in Band l (Zweites Buch). 
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