Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
zrs Die Arbeiter-Sozlalpolitik. VI. Buch. 
oder in äbnlicher Lage; diese Gleichartigkeit allein rechtfertigt den Versuch, unter den 
Kegierungen eine Verständigung berbeizuführen, um den gemeinsamen Gefahren durch 
vorbeugende Maßnahmen gemeinsam zu begegnen.“ 
Ungefähr 14 Tage nahmen die Beratungen in Anspruch. Sie wurden mit Ernst 
und Eifer geführt. Mit wenig Hoffnungen waren, wie der dänische Vertreter Tietgen 
am Schluß in seinen Dankesworten für den Vorsitzenden, Freiherrn von Berlepsch, 
bekannte, die fremden Delegierten hergekommen, aber sie hatten „den Glauben an das 
Wirken der Konferenz gefunden, sobald dieselbe begonnen hatte“. Insbesondere hätte 
odie glühende Hoffnung und Liebe des Vorsitzenden sich bald auf alle Teilnehmer über- 
tragen“". Und wenn von Berlepsch in seiner Schlußrede vom 29. März die Frage: „Ob 
die angestrengte, gewissenhafte Arbeit“ der vierzehn Tage, „ob der Austausch der Mei- 
nungen, die freundschaftlichen Beziehungen“, die gewonnen seien, verloren seien oder 
ob sie dauernde Früchte tragen würden, nicht bestimmt zu bejahen wagte, da es sich nur um 
Gutachten und Wünsche handle, deren Erfüllung der Entscheidung der verschiedenen 
Regierungen obliege, so konstatierte er doch mit Recht, daß eine Grundlage gefunden 
sei, „auf welcher der Gedanke, der arbeitenden Klasse in den industriellen Staaten Europas 
einen erhöhten Schutz, eine größere Sicherheit ihrer materiellen, physischen, moralischen 
und intellektuellen Kräfte zu gewähren, fortleben und weiter ausgestaltet werden kann“. 
Besonders erfreulich und bedeutungsvoll war es, daß gerade der Vertreter Englands, 
das die Einladung nur unter Vorbehalt (daß „eine Politik der direkten gesetzgeberischen 
Beschränkung der Freiheit erwachsener Arbeiter, so lange zu arbeiten, wie es ihnen behage“, 
nicht in Frage kommen dürfe) angenommen hatte, dem Kaiser für die Berufung der 
Konferenz besonders dankte, „deren Ergebnisse außerordentlich erfreuliche seien“. 
Die Konferenz, so schloß er, werde hoffentlich nicht die letzte sein, und wenn Millionen 
von Kindern dem Elend entzogen, und ebenso viele Frauen dem häuslichen Leben wieder- 
gegeben sein würden, so werde man sich mit Dankbarkeit der Initiative des Kaisers erinnern. 
Die Berufung der internationalen Arbeiterschutz- 
konferenz war von glänzendem Erfolg gekrönt. Die 
hochideale großzügige Znitiative des jungen Kaisers wurde von allen Edelgesinnten 
im In- und Auslande mit Zubel ausgenommen. Was der Schweiz versagt blieb: alle 
Regierungen Europas folgten vertrauensvoll dem Rufe des jungen Herrschers zur 
Beratung der ernsten Fragen und Sorgen, die die ganze Kulturwelt bewegten. 
Mit Begeisterung schauten die ODeutschen auf ihren Kaiser, der im Rat der Völker 
auf diesem Gebiet so glanzvoll die Führung übernommen. Mit stolzer Freude horchten 
sie den Stimmen begeisterter Bewunderung und Sompathie, welche in den Reden 
und privaten Außerungen der Konferenzteilnehmer, in der Presse des gesamten In- 
und Auslandes zum Ausdruck kamen. Besonders vermerkt wurden die geistreichen Artikel 
des französischen Delegierten Fules Simon in der französischen Presse, welche getragen 
waren von der größten Bewunderung für die Person des Kaisers und sein Werk. Es 
waren glanzvolle Tage für den Kaiser, für das ganze Land. Und was ihnen die besondere 
Bedeutung gab: Es galt den Ideen sozialer Gerechtigkeit und brüderlicher Liebe für die 
Erfolge der Konferenz. 
  
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