382 Die Arbeiter-Sozialpolitik. VI. Buch.
dann äbnliche Kongresse in Bern (1891), Mailand (1894), Brüssel (1897), Paris (1900), Düsseldorf (1902),
Kom (1908), Düsseldorf (1912) folgten. — Eine internationale Konferenz der Regierungen hat noch nicht
stattgefunden, wohl aber haben einzelne Staaten Verträge geschlossen, um ihren Staatsangehörigen auch
bei Aufenthalt in anderen Staaten die Vorteile der dortigen A#rbeiterversicherung unter Verpflichtung der
Gegenseitigkeit zu sichern. Solche Verträge bestehen zwischen Deutschland und Itallen (5. 7. 12), Deutschland
und Belgien, Deutschland und Osterreich usw.
Die Arbeiterschutzvorlage von 1890 — Verzicht auf das Sozialistengesetz.
Thronrede 1890. Die Beratungen im Staatsrat und in der internationalen
Arbeiterschutzkonferenz fanden bald ihren Niederschlag in einem
umfassenden Gesetzentwurf zur Abänderung und Ergänzung der Gewerbeordnung —
Arbeiterschutznovelle — vom 6. Ma -1890 und in einem Entwurf, betreffend die Er-
richtung von Gewerbegerichten vom 9. Mai. Der Kaiser selbst gab ihnen in der
Thronrede zur Eröffnung des Reichstages am 6. Mai 1890 sein besonderes Geleitwort.
Einen Teil der bedeutsamen Fragen, die der neue Reichstag einer befriedigenden Lösung
entgegenführen sollte, erklärte er als so dringlicher Natur, daß es nicht tunlich erschienen
sei, die Einberufung des Reichstages länger hinauszuschieben. Dahin rechnete er vor-
nehmlich den weiteren Ausbau der Arbeiterschutzgesetzgebung. Die Thronrede
fährt dann fort (S. 107—109):
„Die im Laufe des verflossenen Zahres in einigen Landesteilen vorgekommenen
Ausstandsbewegungen haben Mir Anlaß gegeben, eine Prüfung der Frage herbeizu-
führen, ob unsere Gesetzgebung den innerhalb der staatlichen Ordnung berechtigten und
erfüllbaren Wünschen der arbeitenden Bevölkerung in ausreichendem Maße Rechnung
trägt. Es handelte sich dabei in erster Linie um die den Arbeitern zu gewährleistende
Sonntageruhe, sowie um die durch Rücksichten der Menschlichkeit und im Hinblick auf
die natürlichen Entwicklungsgesetze gebotene Beschränkung der Frauen- und Kinder-
arbeit. Die verbündeten Regierungen haben sich Überzeugt, daß die von dem letzten
Reichstage in dieser Beziehung gemachten Vorschläge ihrem wesentlichen Inhalte
nach ohne Nachteil für andere Znteressen zu gesetzlicher Geltung gebracht werden
können. Im Zusammenhange damit hat sich aber noch eine Reihe weiterer Bestim-
mungen als der Berbesserung bedürftig und fähig erwiesen. Hierhin gehören insbe-
sondere die gesetzlichen Anordnungen zum Schutze der Arbeiter gegen Gefahren für
Leben, Gesundheit und Sittlichkeit, sowie über den Erlaß von Arbeitsordnungen. Auch
die Vorschriften über die Arbeitsbücher bedürfen einer Ergänzung zu dem Zwecke, um
das elterliche Ansehen gegenüber der zunehmenden Zuchtlosigkeit jugendlicher Ar-
beiter zu stärken. Die hiernach erforderliche Umgestaltung und weitere Ausbildung
der Gewerbeordnung findet ihren Ausdruck in einer Vorlage, welche Ihnen unver-
züglich zugehen wird.
„Eine weitere Vorlage erstrebt die bessere NRegelung der gewerblichen Schieds-
gerichte und zugleich eine Organisation derselben, die es ermöglicht, diese Gerichte bei
Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und A#rbeitern über die Bedingungen der Fort-
setzung oder Wiederaufnahme des Arbeitsverhältnisses als Einigungsämter anzurufen.
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