Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
VI. Buch. Oie Ardeiter-Sozialpolitik. 383 
  
„Ich vertraue auf Ihre bereitwillige Mitwirkung, um über die Ihnen vorgeschlagene 
Reform eine Ubereinstimmung der gesetzgebenden Körperschaften und damit einen 
bedeutsamen Fortschritt in der friedlichen Entwicklung unserer Arbeiterverhältnisse 
berbeizuführen. Ze mehr die arbeitende Bevölkerung den gewissenhaften Ernst erkennt, 
mit welchem das Reich ihre Lage befriedigend zu gestalten bestrebt ist, desto mehr wird 
sie sich der Gefahren bewußt werden, die ihr aus der Geltendmachung maßloser und 
unerfüllbarer Anforderungen erwachsen müssen. In der gerechten Fürsorge für die 
Arbeiter liegt die wirksamste Stärkung der Kräfte, welche wie Ich und Meine hohen 
Verbündeten berufen und willens sind, jedem Versuche, an der Rechtsordnung gewalt- 
sam zu rütteln, mit unbeugsamer Entschlossenheit entgegenzutreten. 
„Zmmerhin kann es sich bei dieser Reform nur um solche Maßnahmen handeln, 
welche ohne Gefährdung der vaterländischen Gewerbtätigkeit und damit der wichtig- 
sten Lebensinteressen der Arbeiter selbst ausführbar sind. Unsere Zndustrie bildet nur 
ein Glied in der wirtschaftlichen Arbeit derjenigen VBölker, welche an dem Wettbewerb 
auf dem Weltmarkte teilnehmen. Mit Rücksicht hierauf habe Ich es Mir angelegen sein 
lassen, unter den in gleichartiger Wirtschaftslage befindlichen Staaten Europas einen 
Austausch der Meinungen darüber herbeizuführen, bis zu welchem Maße sich eine 
gemeinsame Anerkennung der gesetzgeberischen Aufgaben bezüglich des Arbeiterschutzes 
feststellen und durchführen läßt. Es verpflichtet Mich zu dankbarer Anerkennung, daß 
diese Anregung bei allen beteiligten Staaten und besonders auch dort eine gute Stätte 
gefunden hat, wo der gleiche Gedanke bereits angeregt und seiner Ausführung nahe 
gebracht war. Der Verlauf der hier versammelt gewesenen internationalen Konferenz 
erfüllt Mich mit besonderer Befriedigung. Ihre Beschlüsse bilden den Ausdruck ge- 
meinsamer Anschauungen über das wichtigste Gebiet der Kulturarbeit unserer Zeit. 
Die darin niedergelegten Grundsätze werden, wie Och nicht zweifle, fortwirken als eine 
Aussaat, die mit Gottes Hilfe zum Segen der Arbeiter aller Länder aufgehen und 
auch für die Beziehungen aller Völker untereinander nicht ohne einigende Frucht 
bleiben wird.“ 
Der Reichstag. Oie vieljährige mühsame Vorarbeit des Reichstages, die immer 
wieder denlebhaften Unmut und Widerspruch des Fürsten Bismarck 
erregt hatte, fand hiermit die ausdrückliche Anerkennung der Krone. Bezünglich der wich- 
tigsten Teile: Schutz der Sonntagsruhe. Beschränkung der Frauen- und Kinderarbeit, deckten 
sich die Vorlagen wesentlich mit den Beschlüssen des Reichstages. Ebenso hatte ein Gesetzent- 
wurs, betreffend die Gewerbegerichte, schon 1878 den Reichstag beschäftigt und war nur an 
der Frage der Bestätigung des Vorsitzenden gescheitert. Wiederholt aber hatte jener auf 
Wiedereinbringung der Vorlage gedrängt. Der diesbezügliche neue Gesetzentwurf wurde 
dann auch nach eingehender Kommissionsberatung (Vorsitzender: Oberbürgermeister 
Miquel, Berichterstatter: Rechtsanwalt Dr. Carl Bachem) bald — am 28. Juni — im 
Reichstag erledigt. 
Der Arbeiterschutz- Gesetzentwurf erforderte naturgemäß ausgedehntere Be- 
ratungen im Plenum und in der Kommission. Die Kommissionsberatungen (Vorsitzender: 
  
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