394 Die Arbeiter-Sozialpolitik. VI. Buch.
mung geben, durch Anordnung der böheren Verwaltungsbehörde der Schluß des Ladens schon auf abends
8 Uhr bis morgens 7 Uhr angesetzt werden kann. Tatsächlich ist heute in allen großen Städten der Achtuhr-
ladenschluß Regel. Auf Grund der Befugnis der Behörden (5§8 139., 139h), besondere Vorschriften zum Schutz
der Gesundheit und Sittlichkeit zu erlassen, ist (28. 11. Oo0) vom Bundesrat vorgeschrieben, daß den #n-
gestellten ausreichend Sitzgelegenheit geboten werden muß. Endlich sind die Bestimmungen betreffend den
Erlaß einer Arbeitsordnung (bei mehr als 20 Gehilfen), betreffend Beschränkung der Lehrlingszüchterei
(60. 5 128) und Fortbildungsschulzwang auch auf die Verkaufsstellen ausgedehnt.
Schutz der gerechten Hurchführung Hurch die Arbeiterschutz-Novelle von 1891
sind eine Reihe von Bestimmungen in
die Gewerbeordnung aufgenommen mit
dem Zwecke, im Interesse der Arbeiter möglichst klare Arbeitsbedingungen zu
sichern, der Willkür des Alrbeitgebers in Festsetzung der Kündigungsfristen, der
Strafen usw., der Beschränkung der persönlichen Freiheit (außerhalb des Betriebes)
gewisse Schranken zu setzen und dem Arbeitgeber die Pflicht aufzulegen, die Wünsche
der Arbeiter wenigstens zu hören.
des Arbeitsvertrages.
Für alle Betriebe mit mindestens 20 Arbeitern ist der Erlaß
einer Arbeitsordnung vorgeschrieben, in welcher die wichtig-
sten Bedingungen des Arbeitsvertrages: Arbeitszeit und Pausen, Lohnzahlung,
Kündigungsfristen, Art und Höhe der Strafen, Festsetzung, Einziehung, Verwendung
usw. ausgenommen werden müssen (§ 134 ff.).
Arbeitsordnung.
Vor Erlaß resp. Abänderung der A#rbeitsordnung ist den großjährigen Arbeitern Gelegenheit zu geben,
sich zu äußern. Wo ein ständiger, von den großjährigen Arbeitern und Arbeiterinnen in geheimer Wahl
gewählter Arbeiterausschuß besteht, genügt die Anhörung dieses Ausschusses. Die Arbeitsordnung
muß ausgehängt und in Abschrift der unteren Verwaltungebehörde mit den schriftlich ober zu Protokoll ge-
äußerten Bedenken übergeben werden. Die Kündigungefristen müssen für beide Teile gleich sein (§ 122).
Strafbestimmungen, welche das Ehrgefühl oder die guten Sitten verletzen, sind verboten. Geldstrafen dürfen
die Hälfte des durchschnittlichen Lagesarbeitsverdienstes nicht übersteigen, nur in besonderen Fällen (Tät-
lichkeiten gegen Mitarbeiter, erhebliche Verstöße gegen die guten Sitten oder gegen die Ordnung im Betriebe)
sind solche bis zum vollen Betrage zulässig. Die Strafgelder müssen zum Besten der Arbeiter verwendet wer-
den. Name der Bestraften, Grund, Höhe und Tag der Bestrafung müssen in ein Verzeichnis eingetragen
werden, das dem Gewerbeinspektor auf Verlangen vorzulegen ist. Vorschriften über das Verhalten groß-
jähriger Arbeiter außerhalb des Betriebes dürfen in die Arbeitsordnung nicht ausgenommen werden; solche
lber das Verhalten minderjähriger nur mit Zustimmung des Arbeiterausschusses. Letztere Bedingung gilt
auch für Aufnahme von Vorschriften für die Benutzung von Wohlfahrtseinrichtungen.
Arbeiter-Ausschüsse. Eine wirksame „Anhörung“ der Arbeiter läßt sich nur in
der Weise durchführen, daß ein von den Arbeitern in
direkter und geheimer Wahl gewählter Ausschuß deren Anschauungen und Wünsche
in geordneter Verhandlung mit dem Arbeitgeber vorbringt und nun beiderseitig eine
Verständigung in gerechtem und billigem Ausgleiche der entgegenstehenden Interessen
und Anschauungen mit Ernst und Wohlwollen erstrebt wird. Bei beiderseitig gutem
Willen lassen sich so eine Summe von Streitigkeiten und Mißverständnissen begleichen.
Tatsächlich ist das auch der einzige Weg, um den Arbeitgebern dauernd die Fühlung
mit ihren Arbeitern zu sichern und sie vor peinlichen Uberraschungen zu schützen.
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