VI. Buch. gnnere Kolonisation. 39
Ende gemacht wurde. Großes auf dem Gebiet der inneren Kolonisation hat namentlich
die Generalkommission in Frankfurt a. O. unter ihrem langjährigen, hochverdienten
Präsidenten geleistet.
Gemeinnützige Gesellschaften. Neben diesen staatlichen Unternehmungen sehen
— wir in derselben Zeit die ersten Versuche, durch
private gemeinnützige Gesellschaften auf diesem Gebiet vorwärtszukommen.
Die erste gemeinnützige Ansiedlungsgesellschaft wurde durch den damaligen Ministerial-
direktor Dr. Thiel mit Hilfe eines lleinen Kreises für die Aufgabe begeisterter Männer
geschaffen. Sie sollte den praktischen Beweis liefern, daß durch derartige Gesellschaften
es möglich sei, lebensfähige Ansiedlungen ohne Uberteuerung der Ansiedler zu schaffen.
ODiese Aufgabe ist im lleinen Rahmen tadellos gelöst worden; die Gesellschaft mußte
aber dann ihre Tätigkeit einstellen, da ihr die nötigen Mittel zu größerer A#rbeit fehlten.
Gegenüber den Versuchen, welche die demokratische Presse macht, eine vollständig
falsche Darstellung der Vorgänge auf diesem Gebiet aus einseitigem Haß gegen den
Großgrundbesitz zu geben, ist darauf hinzuweisen, daß in den Zahren 1900 und 1901 im
Preußischen Abgeordnetenhause zweimal ein Antrag angenommen worden ist, welcher
verlangte, daß ein sehr erheblicher Betrag zur Erweiterung des Zwischenkredits von
seiten des Staates hergegeben werde. Heute kann man fast täglich in der demokratischen
Presse lesen, daß damals von dem Junkertum im Abgeordnetenhause diese Gesetzgebung
verhindert sei, aber gerade die berüchtigten Zunker und Agrarier waren es, die den da-
maligen Finanzminister Miquel veranlaßt haben, diese Gesetzgebung einzuleiten, und
nicht sie tragen die Schuld daran, daß schließlich das Gesetz im Herrenhause zum Scheitern
gekommen ist. Neben diesen gemeinnützigen Bestrebungen sahen wir aber gleichzeitig
das Unwesen der Güterschlächterei sich immer weiter ausdehnen, und so ergab sich schließ-
lich bei der zunehmenden Verödung des Landes die Notwendigkeit, mit öffentlichen
Einrichtungen in dieser Richtung vorzugehen. Der Kampf, der auf diesem Gebiet geführt
worden ist, hat alle interessierten Stellen jahrelang beschäftigt; leider ist in demselben
nicht alles erreicht worden, was wir hätten erreichen müssen und die gemeinnützigen
Gesellschaften, welche wir jetzt in einer ganzen Anzahl von Provinzen gegründet haben,
werden nicht überall und nicht dauernd in der Lage sein, den großen Aufgaben gerecht
zu werden, welche ihnen gestellt sind. Der Staat wäre dersenige gewesen, welcher in
erster Linie dieses große Kolonisationswerk zu tragen gehabt hätte, denn er allein kann
allen Aufgaben gerecht werden, welche hier zu erledigen sind. Es sei nur darauf hin-
gewiesen, daß die Regelung der Schullasten, Kommunallasten usw. in einer für die
Neusiedlung entsprechenden Weise nur durch den Staat vorgenommen werden
kann.
Aeben den gemeinnützigen Gesellschaften sehen wir noch eine Reihe von privaten
Erwerbsgesellschaften, darunter in erster Linie die Landbank. Es ist charakteristisch,
daß die größte dieser Gesellschaften nach ziemlich kurzer Zeit die eigentliche Arbeit der
Kolonisation aufgibt und sich nur noch mit Güterhandel beschäftigt, weil sie sehr bald
einsehen mußte, daß für die erstere Aufgabe selbst ihre großen Mittel nicht ausreichten.
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