VI. Buch. gnnere Kolonisation. 41
besitzlosen Arbeiterproletariat. Aus dieser strengen Scheidung entspringen die Klassen-
kämpfe mit allen ihren übelen Folgen. Unsere Aufgabe wird es sein, eine derartige
Entwicklung in der landwirtschaftlichen Bevölkerung zu verhindern.
Es muß erstrebt werden, das ganze Land so eng zu besiedeln, wie es die allgemeinen
Interessen nur irgend gestatten. Es ist aber dringend zu warnen vor dem Phantom,
daß es möglich und zweckmäßig sei, jedem Menschen einen Fetzen Land zu geben und so
einen Zwergbesitz zu bilden, wie er sich in einzelnen Teilen von Süddeutschland bereits
verhängnisvoll entwickelt hat. Im allgemeinen nationalen Interesse wird eine Grenze
zu ziehen sein, bis zu welcher mit der Aufteilung des Besitzes vorgegangen werden kann
und es kann nur immer wieder betont werden: Was wir gebrauchen, ist eine gesunde
Mischung der verschiedenen Besitzgrößen.
Es ist eine der bedauerlichsten Erscheinungen bei dem ganzen Kampf um die innere
Kolonisation, daß für die gesamte Demokratie und ihre Presse das Wort „Innere
Kolonisation“ zu einem hohlen Schlagwort geworden ist, nur dazu bestimmt,
die Hetze und den Kampf gegen den Großgrundbesitz zu verschleiern. An der ansässigen
Landbevölkerung scheitert das Vordringen der Sozialdemokratie; ihr Streben ist es,
diese Bevölkerung zunächst der Führer zu berauben, um dann leichter mit ihr fertig zu
werden. Der Großgrundbesitz hat auch heute noch seine wichtige Aufgabe im Staats-
leben; er ist berufen, Führer und Vorbild des Kleingrundbesitzes zu sein. Er muß sich
aber dauernd der Pflichten bewußt sein, die ihm aus dem Besitz deutschen Bodens er-
wachsen; Grundbesitz und namentlich Großgrundbesitz geben heute nicht nur Rechte,
sondern in ganz besonders hohem Maße auch Pflichten.
Die erste Aufgabe unseres Großgrundbesitzes ist, seine Zugend in technischem
Wissen und Können so zu vervollkommnen, daß sie vollständig imstande ist, ihren Platz
auszufüllen. Unser Kleinbesitz weiß sehr wohl zu unterscheiden, ob der Großgrundbesitz
seine Sache versteht oder nicht und hiernach wird im wesentlichen der Einfluß zu be-
messen sein, welchen der Großgrundbesitzer hat. Was aber der letztere an besserer Aus-
bildung besitzt, das soll auch seinen kleineren Nachbarn mit zugute kommen. Bleibt
er sich dieser Pflicht bewußt, dann wird er auch den Platz des Führers behaupten; aber
dieser Platz wird heute nicht mehr angeboren oder ererbt, er wird erarbeitet und er-
kämpft. Unsere Landwirtschaft im ganzen aber muß heute dessen eingedenk sein, daß
sie, nachdem sie einen Schutz ihrer Produktion erhalten hat, nun um so mehr verpflichtet
ist, durch vollkommenste Ausnutzung des Grundes und Bodens das deutsche Volk mit
deutschem Brot und Fleisch zu versorgen.
Oie Statistik lehrt uns, daß die Viehhaltung, namentlich an Rindvieh und Schweinen,
auf derselben Fläche beim Kleinbesitz erheblich stärker ist als beim Großbesitz, welcher
letztere allerdings die feinere Qualität erzeugt. Ich behaupte aber — und ein Gegen-
beweis ist mir bisher nicht geliefert worden —, daß beim Getreide der Großgrundbesitz
der Allgemeinheit größere Massen zur Verfügung stellt, und auch dadurch wird eine
gewisse Grenze gegeben sein, wie weit man mit der Aufteilung gehen darf.
Die Landwirtschaft hat aber nicht allein die Nahrungemittel für das Volk zu schaffen,
sondern vor allen Dingen auch eine körperlich und geistig gesunde Bevölkerung, aus
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